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Rechtsextremismus: Was Weiße nie erleben würden

Der Fall des Thüringer CDU-Politikers Zeca Schall zeigt: Zum Lebensgefühl im deutschen Osten gehört der Hass auf Schwarze.

Als Schwarzer in Ostdeutschland Gesicht zu zeigen, kommt einem unkalkulierbaren Risiko gleich. Das zeigt der Fall des CDU-Politikers Zeca Schall, der in Thüringen auf Großplakaten zusammen mit Ministerpräsident Dieter Althaus zu sehen ist. Zwar wird der Deutsche angolanischer Herkunft in seiner Heimatstadt Hildburghausen geduldet. Dort engagiert er sich für die katholische Kirche und die freiwillige Feuerwehr. Doch als er für den Kreistag kandidierte, reichte diese bürgerliche Verankerung nicht aus, um auch gewählt zu werden.

Die Aufmerksamkeit, die Schall mit seiner Kreistagskandidatur auf sich zog, führte noch nicht zu rechten Anfeindungen. Erst als er landesweit zu sehen war, wurde Schall von der NPD bemerkt und bedroht. Es hat nur wenige Tage gedauert, bis die rechtsextreme Partei herausbekommen hatte, wer da den Mut hatte, seine schwarze Haut in den Dienst der CDU zu stellen. Nun muss Zeca Schall von der Polizei geschützt werden. Die NPD hat versucht, auf sein Haus zuzumarschieren, und wollte ihn „nach Hause“ schicken. Aber in Hildburghausen lebt Schall ja schon – und zwar seit 22 Jahren.

Wie normal diese ins Gewalttätige lappende Ausländerfeindlichkeit schon geworden ist, spricht aus einer Äußerung von Zeca Schall selbst. Er könne in Thüringen keine generelle Ausländerfeindlichkeit feststellen, sagte er. Er sei bisher nur einmal von Neonazis attackiert worden. Das gehört zum Lebensgefühl im deutschen Osten. Und selbst in den Solidaritätsbekundungen für Schall zeigt sich, wie wenig normal ein schwarzer Politiker dort ist. So schreibt der Erfurter Weihbischof Reinhard Hauke, er freue sich über Schalls Engagement „für unser Land Thüringen“. Es ist also nicht Schalls Land, oder doch?

Auf der Homepage der CDU sind bis Donnerstagnachmittag rund 600 Solidaritätsadressen eingestellt worden. Unter den ersten gut 100 kamen ganze zwei aus Thüringen, und insgesamt sechs aus den neuen Ländern. Die überwältigende Mehrheit der Ermutigungen stammt aus dem Westen.

Seit der Wiedervereinigung ist der deutsche Osten ein Brennpunkt rechter Gewalt und rechter Delikte. Im Verhältnis zur dort lebenden Bevölkerung ist die Zahl rechter Delikte unverhältnismäßig hoch. Thüringen ist unter den neuen Ländern noch das mit der freundlichsten Statistik rechter Straftaten. Doch das Gefühl, dass Ostdeutschland eine No-go-Area für schwarze Menschen ist, ist inzwischen ausgeprägt, und in manchen Reiseführern wird aus guten Gründen vor dem Besuch der neuen Bundesländer gewarnt.

Doch nicht nur die Angst vor gewalttätigen Übergriffen prägt den Alltag schwarzer Menschen in Ostdeutschland. Es ist die ständige latente Ablehnung, unter der sie leiden. Selbst im ziemlich bunten Berlin erleben Schwarze Dinge, die Weiße nie erleben werden. Zum Beispiel die Aufforderung eines Jobvermittlers, ein Attest beizubringen, dass der schwarze Bewerber nicht an Cholera erkrankt ist.

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