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Tesla-Chef Elon Musk (Archivbild vom März 2020)

© dpa/AP/Susan Walsh

Update

Selbstloser Held und kühler Stratege : Elon Musk ist zur Schlüsselfigur im Ukraine-Krieg geworden

Er ist reich und mächtig. Seine Worte setzen etwas in Bewegung. Die Tweets von Elon Musk zu belächeln, wäre naiv. Ihn zu dämonisieren, wäre kurzsichtig.

Ein Kommentar von Malte Lehming

| Update:

Er ist der reichste Mensch der Welt. Aktuell wird das Vermögen von Elon Musk auf 265,6 Milliarden US-Dollar geschätzt. Er ist Chef von Tesla, der weltweit größten Herstellerfirma von Elektrofahrzeugen, die rund 110.000 Mitarbeiter beschäftigt.

Er hat SpaceX gegründet, ein Raumfahrt- und Telekommunikationsunternehmen, das für die Nasa Astronauten ins All befördert. Mit Starlink ist SpaceX außerdem der weltgrößte Satellitenhersteller und -Betreiber.

Starlink ist ein Netzwerk, das aus rund 2500 Satelliten besteht. Weitere 52 Satelliten wurden vor wenigen Tagen auf den Weg in Richtung Orbit gebracht. Das System ermöglicht auch an entlegenen Orten Hochgeschwindigkeitszugänge zum Internet.

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Für die Ukraine in ihrem Verteidigungskrieg gegen Russland ist Starlink überlebensnotwendig. Es garantiert das Funktionieren der digitalen Infrastruktur. Russland hatte zwei Tage nach dem Angriff auf die Ukraine durch einen Cyberangriff auf den dortigen Provider Viasat das Internet gekappt. Der ukrainische Vizepremier Mykhailo Fedorow bat Musk um Hilfe. Der gewährte sie und schaltete Starlink für die Ukraine frei. Seitdem gilt Musk in der Ukraine als Held.

Der umtriebige Multimilliardär ist eine Schlüsselfigur in dem Krieg

Ohne Starlink könnten die ukrainischen Soldaten im Gefecht nicht sicher kommunizieren, könnten Drohnen nicht zielgenau gesteuert werden, würden die Züge nicht fahren, ließen sich Youtube-Aufnahmen von Präsident Wolodymyr Selenskij nicht störungsfrei versenden. Ohne Starlink, sagen ukrainische Frontkämpfer, würde ihre Armee innerhalb kurzer Zeit kollabieren.

Elon Musk hat Starlink der Ukraine zur Verfügung gestellt. Die tragbaren Empfänger, rund 20.000 an der Zahl, wurden zumeist vom Westen bezahlt. Aber Musk sitzt am Hebel. Er hat die Macht. Wenn er will, kann er die Starlink-Verbindungen in die Ukraine kappen.

Das macht den umtriebigen Multimilliardär zu einer Schlüsselfigur in dem Krieg. Realpolitisch betrachtet ist sein Wort von größerem Gewicht als das von Papst Franziskus oder UN-Generalsekretär António Guterres.

Vor gut einer Woche stellte Musk auf Twitter seinen „Friedensplan“ für die Ukraine vor. In den von Russland besetzten und annektierten Regionen sollten unter UN-Aufsicht Referenden stattfinden. Falls eine Mehrheit bei der Ukraine bleiben will, muss Russland seine Truppen abziehen. Die Krim soll zu Russland gehören, die Trinkwasserversorgung der Halbinsel gesichert sein. Die Ukraine verzichtet auf eine Nato-Zugehörigkeit und bleibt neutral.

Musk hat auf Twitter mehr als 100 Millionen Follower. Doch nicht nur wegen dessen Reichweite wies die Ukraine das Ansinnen empört zurück.

Präsidentenberater Mychailo Podoljak sagte, ein „besserer Friedensplan“ sehe vor, dass die Ukraine alle ihre Territorien befreie. Der aus Deutschland scheidende Botschafter der Ukraine, Andrij Melnyk, drückte sich weniger diplomatisch aus: „Das einzige Resultat ist, dass kein Ukrainer jemals Ihren verdammten Tesla-Mist kaufen wird. Verpissen Sie sich.“

Musk selbst – ein Zocker, Agitator und Visionär – blieb stoisch. Er spiele auf Twitter gerne den Narren, erwiderte er, oft schieße er sich dabei selbst in den Fuß und bringe sich in alle möglichen Schwierigkeiten, sagte er in einem Gespräch mit der „Financial Times“. Das habe für ihn auch eine therapeutische Funktion.

Er steht kurz davor, auch Twitter zu kaufen

War es wirklich nicht mehr? Kein Gedanke soll ungedacht, unausgedrückt oder gar unterdrückt werden: Musk sieht sich als Verteidiger eines weiten Begriffs der Meinungsfreiheit.

Auch deshalb steht er wohl kurz davor, Twitter zu kaufen. Wird er dann Donald Trumps Account wieder freischalten? Das könnte den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf entscheidend beeinflussen. Auch diese Macht hätte Musk. Die globale digitale Kommunikation entzieht sich zum Großteil jeder demokratischen Kontrolle und Legitimation.

Als die Aufregung über seinen „Friedensplan“ ihren Höhepunkt erreicht und die Ukraine größere Rückeroberungen gemeldet hatte, fiel Starlink plötzlich an einigen Frontabschnitten aus. Ein ukrainischer Offizier berichtete von „katastrophalen“ Kommunikationsverlusten. Es werde immer schwieriger, Informationen über die Stellungen des russischen Aggressors zu sammeln.

Prompt streuten einige Militärblogger wilde Spekulationen: Gibt es eine geheime Vereinbarung zwischen Musk und Wladimir Putin zum Nachteil der Ukraine? Musk wies dies umgehend zurück. Und er tat es auch am Dienstag, als neue Behauptungen auftauchten, er habe sich kürzlich ausführlich mit Putin besprochen. Musk twitterte: „Ich habe überhaupt nur einmal mit Putin gesprochen und das war vor ungefähr 18 Monaten. Dabei ging es um den Weltraum.“

Selbstloser Held oder kühl kalkulierender Stratege? Musk lässt sich nur schwer deuten. Einen „Friedensplan“ hat er nun ebenfalls für den China-Taiwan-Konflikt entworfen. Er schlägt vor, aus Taiwan eine „Sonderverwaltungszone“ unter chinesischer Herrschaft zu machen. Die Regierung in Taipeh bezeichnet das als „inakzeptabel“, Peking zeigte sich erfreut.

Tesla produziert mehr als ein Drittel seiner Fahrzeuge in Shanghai

China ist wichtig für Musk. Tesla produziert mehr als ein Drittel seiner Fahrzeuge in Shanghai. Die kommunistische Führung beobachtet die Starlink-Operationen in der Ukraine allerdings mit Argwohn und verlangt von Musk eine Zusicherung, das Satelliten-Netzwerk niemals in China einzusetzen.

Die Kriege der Zukunft werden mit Maustaste und Tastatur, Viren und Würmern geführt. Über das Internet können Armeen und Großstädte, Flughäfen und Finanzströme lahmgelegt werden. Vom Cyberwar geht längst eine größere Gefahr aus als vom internationalen Terrorismus. Deutschlands Defizite im Bereich der IT-Sicherheit sind notorisch. Wer weiß? Vielleicht rettet Starlink einst auch die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt.

Macht hat der, auf dessen Wort hin etwas in Bewegung gerät. Musk schafft das durch kurze Tweets. Sein Treiben zu belächeln, wäre naiv. Ihn zu dämonisieren, wäre kurzsichtig.

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