zum Hauptinhalt
Über das Ehegattensplitting wird vor allem bei SPD und Grünen diskutiert.

© dpa

Steuervorteile: Das Ehegattensplitting passt in unsere Zeit

Dass die Ehe Steuervorteile bringt, ist nicht altmodisch. SPD und Grüne laufen eher Gefahr, ihre Wähler zu vergraulen. Denn längst geht es nicht mehr um die Alleinverdienerehe - sondern darum, dass zwei Menschen in ihrem Erwerbsleben flexibel sein können.

Es gibt progressive Anliegen, die werden von der Wirklichkeit überholt. Und es gibt ideologisch motivierte Debatten, die gemessen an der Realität irgendwann in steriler Aufgeregtheit erstarren. Zu erleben ist das gerade beim Thema Ehegattensplitting.

Mit ihrem Insistieren auf einer Reform unter der Überschrift „Realsplitting“ könnten es SPD und Grüne schaffen, potenzielle Wähler zu vergraulen. Und der Union könnte es mit ihrem Gegenmodell des Familiensplittings umgekehrt passieren, nach dem Betreuungsgeld eine weitere Variante sozialpolitischer Aufblähung in die Welt zu setzen. Das bestehende Ehegattensplitting ist kein Auslaufmodell, nur weil es möglicherweise in der Adenauer’schen Vormoderne zum Zementieren traditioneller Familienstrukturen erfunden wurde, also der Alleinverdienerehe mit dem Mann als Versorger und der treu sorgenden Hausfrau und Mutti daheim am Herd.

Es ist auch nicht so, dass das Splitting aus bevölkerungspolitischen Gründen – Deutsche, macht mehr Kinder! – noch ausgebaut werden müsste zu einem Fertilitätsförderungsprogramm. Denn ein Familiensplitting wäre, genau wie das Realsplitting, im Endeffekt keine wirkliche Reform, sondern nur eine Umetikettierung. Schließlich ersetzt die direkte Einbeziehung der Kinder in die Steuerberechnung nur Kindergeld und Kinderfreibetrag. Mit der mutmaßlichen Wirkung, dass die Sache am Ende für den Steuerzahler deutlich teurer wird, aber ohne messbaren bevölkerungspolitischen Effekt bleibt. Das hat sich ja analog beim Elterngeld auch schon gezeigt.

Das rot-grüne Modell des Realsplittings wiederum bedeutet, dass ein Unterhaltsanspruch zwischen den Ehepartnern übertragen werden kann. Für die meisten Steuerzahler würde das im Vergleich zum bestehenden Splittingmodell keinen großen Unterschied machen. Nur werden sich viele fragen, warum etwas verändert werden soll, wenn Veränderung doch kaum eintritt. Letztlich schafft das nur Misstrauen unter Wählern, weil der Verdacht keimt, dass hinter den fortschrittlichen Floskeln eine finanzielle Verschlechterung steht.

Und der – prinzipiell betrachtet – gar nicht falsche Ansatz von Sozialdemokraten und Grünen, das Gerechtigkeitsproblem beim Ehegattensplitting zu lösen (dass nämlich Besserverdiener auch besser wegkommen, vor allem wenn einer in der Ehe den Großteil des Einkommens oder alles dazu beiträgt), wird kein Wahlkampfrenner sein. Dafür ist die Dimension des Problems zu gering, und auch bei Besserverdienern, jedenfalls den jüngeren, ist die Alleinverdienerehe heute kaum noch das Ideal. Wer verzichtet denn selbst auf eine Teilzeitstelle, nur weil der Splittingvorteil dann um 2000 oder 3000 Euro steigen würde?

Man muss nicht erst das Splitting reformieren oder abschaffen, um dem Modell der Alleinverdienerehe endgültig den Garaus zu machen. Wer das glaubt, läuft der gesellschaftlichen Entwicklung hinterher. Diese Form der Ehe ist bei den im Arbeitsleben Aktiven längst durch die Zweiverdienerehe abgelöst, die aber bei vielen Paaren nicht Vollarbeitszeit beider Partner bedeutet, sondern ein jahrelanges, wenn nicht jahrzehntelanges Stop and Go mit Erziehungszeiten, Teilzeitlösungen, auch Arbeitslosigkeit oder zwischenzeitlicher Freiberuflichkeit. Da ist das Ehegattensplitting in seiner bestehenden Form schon sinnvoll. Denn es passt ganz gut zur neuen Patchworkrealität. Es ist eine praktische Form der temporären steuerlichen Erleichterung für Mittelverdiener, die keinen großen Aufwand macht. Nicht wenige Paare in Deutschland empfinden das als angenehm. Als Relikt wird es offenkundig nicht betrachtet. Die in der abgelaufenen Woche bekannt gewordene Umfrage, dass vier Fünftel der Eltern hinter dem Ehegattensplitting stehen, macht das deutlich. Für Mittfünfziger dürfte das auch gelten.

Kurzum: Das Ehegattensplitting taugt weder als Objekt fortschrittlichen Reformeifers noch als Tummelfeld für konservative Familienpolitik. Es ist eine breit akzeptierte Form steuerlicher Entlastung. Vernünftigerweise lässt man dann die Finger davon. Denn im Zweifelsfall kostet es mehr Wählerstimmen, als es bringt. Wenn man alles zusammen nimmt – Aufwand, finanzielle Folgen, politische Wirkungen – wären alle Seiten wohl gut beraten, einfach alles so zu lassen, wie es ist beim Ehegattensplitting.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false