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Wladimir Putin am 8. März 2024 in Moskau.

© Mikhail METZEL / POOL / AFP

Streaming-Tipps für die ARD-Mediathek: Zwei Dokus über Putins Verbrechen rütteln auf – eine ist ein Meisterwerk

Im Westen ist der brutale Stellungskrieg in der Ukraine mehr und mehr zum medialen Grundrauschen geworden. Welche Bilder können jetzt noch Empathie erzeugen? Zwei Filme geben die Antwort.

Ein Zwischenruf von Tobias Mayer

Gewöhnung an den Krieg in der Ukraine – dieser Zustand beschreibt die aktuelle Perspektive vieler westlicher Medienkonsumenten. Die Gewöhnung nach zwei Jahren Angriffskrieg und zehn Jahren russischer Intervention im Nachbarland ist traurig. Aus Sicht von Menschen in der Ukraine ist sie womöglich sogar zynisch. Sie ist psychologisch wahrscheinlich trotzdem nachvollziehbar – und man kann sie ein Stück weit verändern. So ging es mir jedenfalls.

In der Arbeit am Newsdesk und auch als Zuschauer, Leser und Hörer bin ich gegenüber Nachrichten aus der Ukraine ein Stück weit abgestumpft.

Meldungen über Todeszahlen, Analysen zum Frontverlauf und Einschätzungen über den weltpolitischen Kontext formten sich zu einem alltäglichen Informationsstrom mit abnehmender Wirkung. Bis ich die Dokumentarfilme „20 Tage in Mariupol“ und „Putins Bären – Die gefährlichsten Hacker der Welt“ gesehen habe, die beide in der ARD-Mediathek gestreamt werden können (bis Mai 2024 und Februar 2026).

„20 Tage in Mariupol“: Eine Kamera gegen Putins Lügen

Der verstorbene US-amerikanische Filmkritiker Roger Ebert bezeichnete das Kino und damit auch das Medium Film als „Empathie-Maschine“. Richtig eingesetzt können Bild, Ton und Schnitt Brücken schlagen, wo andere Medien an Grenzen stoßen.

Der frisch mit dem Oscar ausgezeichnete Dokumentarfilm „20 Tage in Mariupol“ von Mstyslav Chernov tut genau das, er zeigt die russische Invasion in der ostukrainischen Küstenstadt aus Sicht ukrainischer Journalisten, die die Verbrechen von Putins Armee unter Einsatz ihres Lebens mit der Kamera festhalten.

Ukraine, Mariupol: Ukrainische Rettungskräfte und Polizisten evakuieren die verletzte schwangere Frau Iryna Kalinina aus einer Entbindungsklinik, die durch einen russischen Luftangriff beschädigt wurde. (Archivbild vom 09.03.2022).
Ukrainische Rettungskräfte und Polizisten evakuieren eine verletzte schwangere Frau aus einer Entbindungsklinik in Mariupol (Archivbild vom 09.03.2022).

© dpa/Evgeniy Maloletka/World Press Photo 2023

Russische Panzer feuern in unmittelbarer Nähe der Reporter auf Wohngebäude. Ein Jugendlicher, der beim Fußballspielen bombardiert wurde, stirbt im Krankenhaus. Eine von Russland zerstörte Geburtsklinik wird hektisch evakuiert. Man könnte dem Film unterstellen, voyeuristisch und manipulativ zu sein in der Auswahl der Szenen – doch es wird deutlich, dass die Betroffenen vor Ort eine andere Vorstellung haben. 

Für sie ist die Kamera eine Versicherung, eine Chance, dass die Verbrechen Russlands nicht undokumentiert bleiben. Die Kamera ist eine Waffe gegen Putins Propagandamaschine. „Gut, dass die Medien hier sind“, sagt ein ukrainischer Arzt im Film, während vor ihm auf dem Behandlungstisch ein Kind stirbt.

„Putins Bären – Die gefährlichsten Hacker der Welt“: Das Problem sitzt vor dem Bildschirm

Nach „20 Tage in Mariupol“ habe ich mir außerdem die Doku „Putins Bären – Die gefährlichsten Hacker der Welt“ angesehen. Es ist der im Vergleich schlechtere Film, aber wie soll eine klassische TV-Doku mit Experteninterviews auch gegen den „Mariupol“-Film, der ein außergewöhnliches, exklusives Zeitdokument ist, bestehen können?

In „Putins Bären“ jedenfalls gelingt es gut, eine andere Dimension der russischen Kriegsführung nachzuzeichnen, die aus dem Blick geraten ist: den Cyberkrieg von Putins Hackern gegen den Westen.

Viele sind schon daran gescheitert, das Hacken filmisch greifbar zu machen. Schnelle Finger auf Computertastaturen, Ladebalken auf dem Desktop, Männer mit Kapuzenpullovern im Lichte heller Bildschirme – der vielfache Rückgriff auf den bekannten Bilderfundus wirkt oft geradezu verzweifelt. In „Putins Bären“ wird es besser gemacht.

Es geht um Hackerangriffe aus Russland, die den Bundestag, die US-Wahlen und die Ukraine als Ziel hatten, es geht um die Destabilisierung von Demokratien im Interesse Putins. Der Datenklau spielte sich in Computernetzwerken ab und ist entsprechend schwer zu bebildern, aber trotzdem wird in „Putins Bären“ ein guter Umgang damit gefunden.

Weil die interviewten Experten verständliche Einschätzungen geben, weil der narrative True-Crime-Ansatz spannend und nicht zu aufdringlich ist. Und weil es sehr menschlich zugeht – etwa wenn erzählt wird, dass dem IT-Support des Bundestags angesichts eines Trojaner-Verdachts zunächst kaum etwas Besseres eingefallen ist, als das Schreibprogramm Word neu zu installieren.

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