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Demonstranten fordern vor dem Thüringer Landtag in Erfurt die Auflösung des Landesamtes für Verfassungsschutz. Zahlreiche Pannen bei der Verfolgung von Rechtsterroristen kommen derzeit ans Licht.

© dpa

Terror und Verfassungsschutz: Grenzgänger des Rechtsstaats

Die Pannen bei der Jagd auf Neonazis nehmen absurde Züge an: der Verfassungsschutz leidet unter den neuesten Skandalmeldungen. Für die innere Sicherheit der Bundesrepublik ist das eine Gefahr.

Von Frank Jansen

Der Thüringer Verfassungsschutz hat schwere Wochen hinter sich, aber nun kommt es offenbar noch schlimmer. Der Verdacht erhärtet sich, dass die Behörde Ende der 90er Jahre einem rechtsextremen V-Mann 2000 D-Mark gab, damit sich die untergetauchten Neonazis Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe falsche Ausweise beschaffen konnten. Mit diesem Trick wollte der Verfassungsschutz angeblich die „Tarnidentitäten“ des Trios aufdecken.

Sollte das stimmen, hätte sich das Amt eine Operation geleistet, die man nur als höchst riskant, wenn nicht fahrlässig und geradezu abenteuerlich bezeichnen kann. Und das passt zum Bild, das der damalige Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, Helmut Roewer, abgab. Ein barocker Mensch, prall gefüllt mit Sendungsbewusstsein und, wie es nun aussieht, ein Grenzgänger des Rechtsstaats.

Auch wenn man Roewer zugutehält, dass er nichts unversucht lassen wollte, um das Trio aufzuspüren, ist kaum begreiflich, zu welchem Übereifer er offenbar neigte. Dass sich abgetauchte, als Bombenbastler aufgefallene Neonazis mit Steuergeldern falsche Pässe besorgen sollten, erscheint als so absurde Idee, dass man früher laut „Verschwörungstheorie!“ gerufen hätte. Schon wegen der allzu offenkundigen Gefahr, dass sich die Rechtsextremisten mit den falschen Papieren fröhlich ins Ausland absetzen.

Oder dass der Neonazi, der das Geld von dem V-Mann bekam, die 2000 Mark für sich behält, wie es vielleicht geschah. Elf Jahre nach Roewers Abgang muss der Thüringer Verfassungsschutz befürchten, der Expräsident habe ihm eine gewaltige Affäre beschert. Die nicht nur das Ansehen der Erfurter Behörde, sondern des Nachrichtendienstes bundesweit beschädigt.

Merkwürdig erscheint auch, dass der Verfassungsschutz 2001 die Suche nach Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe einstellte. Die Neonazis aber mordeten weiter. Das sind alles Geschichten, die den Nachrichtendienst einer Vertrauenskrise aussetzen, die er eigentlich nicht verdient hat.

Abgesehen von einem Exzentriker wie Roewer sind Verfassungsschützer, soweit es die Öffentlichkeit mitbekommt, meist Beamte, die engagiert und im Rahmen der gebotenen Verhältnismäßigkeit tätig sind. Ihre Motivation dürfte unter solchen Skandalmeldungen leiden. Auch das ist für die innere Sicherheit der Bundesrepublik eine Gefahr.

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