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Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu schließt eine künftige Zusammenarbeit mit syrischen Regierungsmitgliedern nicht aus, solange diesen kein Blut an den Händen klebt.

© dpa

Türkei vs. Syrien: Kurz vor einem Flächenbrand

Die Türkei wird nach dem Anschlag den Druck auf die USA erhöhen, in Syrien einzugreifen. Und die Unterstützung der syrischen Rebellen durch Ankara wird noch direkter und offensichtlicher werden.

Israelische Luftangriffe in Syrien, Drohungen der Hisbollah im Libanon – und jetzt Reyhanli. Der syrische Bürgerkrieg greift immer häufiger über die Grenzen des Landes hinaus. Staatspräsident Baschar al Assad hatte mit genau jenem regionalen Flächenbrand gedroht, der sich jetzt ausweitet, aber mit dem Anschlag von Reyhanli noch längst nicht beendet sein dürfte. Die Eskalation erhöht den Druck auf die USA, aber auch auf Russland, denn Moskau kann nicht an einer Destabilisierung des Nahen Ostens gelegen sein. Die Frage ist nur, was die Großmächte überhaupt noch tun können, um die regionale Gewaltspirale zu stoppen. Eine großflächige Intervention will niemand.

Auch nach den 46 Todesopfern von Reyhanli dürfte die Türkei auf einseitige Gegenreaktionen in Syrien verzichten. Zum einen sind die festgenommenen Tatverdächtigen allesamt türkische Staatsbürger. Zum anderen wäre die Frage, was oder wen die türkische Armee in Syrien bei einer Vergeltungsaktion angreifen sollten. Die Geheimdienstzentrale in Damaskus? Das könnte der Auftakt zu einem ausgewachsenen türkisch-syrischen Krieg sein.

Der türkische Ministerprädident Erdogan übt Druck auf die USA aus

Ankara sucht statt dessen den Schulterschluss mit den westlichen Verbündeten. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wird in den kommenden Tagen bei einem Besuch in Washington mit neuem Nachdruck ein Eingreifen der Supermacht USA im Syrienkonflikt fordern. Die Obama-Regierung zögert seit Monaten mit einer aktiven Unterstützung der Opposition. Erdogan verlangt eine von der US- Luftwaffe durchzusetzende Flugverbotszone über Syrien. Er will in Washington zudem Beweise für einen Giftgaseinsatz der syrischen Regierung vorlegen.

Eines dürfte aber keinesfalls geschehen: Die Erdogan-Regierung wird sich durch Autobomben nicht von ihrer bisherigen Linie abbringen lassen. Ankara wird auch weiterhin die syrische Opposition unterstützen, möglicherweise noch direkter als bisher schon. Waffenlieferungen an die syrischen Rebellen über türkisches Gebiet, die von den Behörden bisher stillschweigend geduldet werden, könnten künftig offener und intensiver vonstatten gehen.

Auch das wird jedoch den Flächenbrand weiter anfachen. Die syrischen Regimegegner sind der Ansicht, dass ein entschiedenes Eingreifen des Auslands den Sturz von Assad beschleunigen und so vielen Menschen das Leben retten würde. Doch dazu gibt es international weiterhin keine Bereitschaft, auch bei den Türken nicht.

Instabile syrische Übergangsregierung oder Flächenbrand in der Region

Immerhin mischten sich in die empörten Reaktionen nach dem Doppelanschlag von Reyhanli am Sonntag auch Töne, die auf einen Ausweg hindeuten könnten – auch wenn dieser derzeit fern und unwahrscheinlich erscheint. Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu bekräftigte die Bereitschaft seines Landes zu einer Zusammenarbeit mit syrischen Regierungsmitgliedern für eine Lösung, solange diesen Funktionsträgern kein Blut an den Händen klebt. Es sei wichtig, dass diese Vertreter des Assad-Regimes in einer neuen syrischen Übergangsregierung einen Platz finden könnten, sagte Davutoglu.

Dieses Angebot wird nicht allen schmecken, vor allem der syrischen Opposition nicht. Doch für eine internationale Gemeinschaft, die auch angesichts von fast 100 000 Todesopfern und mehreren Millionen Flüchtlingen keine Intervention will und die tief zerstritten ist, könnte das ein gangbarer Weg sein, der auf der von den USA und Russland geplanten neuen Syrienkonferenz ausgelotet werden könnte. Eine Übergangsregierung aus Rebellen und Assad-Getreuen wäre eine merkwürdige und möglicherweise höchst instabile Konstruktion. Aber besser als ein Flächenbrand wäre sie allemal.

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