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Es geht um seine Zukunft.

© dpa

Ukraine und Olympia: Trauerflor in Sotschi

Putin, Assad, Janukowitsch: Sport bleibt Sport, Mord bleibt Mord? Höchste Zeit für ein Zeichen. Bei der Olympia-Abschlussfeier am Sonntagabend sollten alle Sportler Trauer tragen.

Es ist leicht, sich über symbolische Gesten lustig zu machen. Schließlich sind sie nichts anderes als das – symbolische Gesten. Bringt doch nichts, reiner Aktionismus, dient nur der Beruhigung des eigenen Gewissens: Das hat jeder, der demonstriert, mahnwacht oder betet schon gehört.

Und doch wäre die Welt ohne symbolische Gesten ärmer. Ohne Willy Brandts Kniefall in Warschau, ohne Beate Klarsfelds Ohrfeige für Kurt Georg Kiesinger, ohne die Weigerung von Rosa Parks, ihren Sitzplatz im Bus für einen weißen Fahrgast zu räumen. Solche Momente können Auslöser für historische Entwicklungen sein, auch wenn das von den Akteuren weder beabsichtigt noch vorauszusehen war. In diesem Sinne tragen symbolische Gesten ihren Wert in sich. Sie entziehen sich dem plakativen Kosten-Nutzen-Kalkül.

Es ist kein Geheimnis, dass Wladimir Putin sowohl das Assad-Regime in Syrien unterstützt als auch die Janukowitsch-Regierung in der Ukraine. Aus beiden Ländern erreichen uns täglich Bilder von Blut, Elend, Brutalität. Natürlich ist es hier wie dort zu einfach, von den guten Rebellen und der bösen Staatsmacht zu sprechen. Außerdem lässt sich lange über den Sinn und Zweck von Sanktionen und/oder Interventionen räsonieren.

Aber zweifellos liegt der Schlüssel zu einer Befriedung der Lage in Moskau. Doch Putin blockiert und poltert gen Westen. Er gibt seinen Vasallen sogar grünes Licht. Und nebenbei ergötzt er sich an der schneeweißen Pracht von Sotschi. An seinen Olympischen Winterspielen, deren Glanz auf ganz Russland strahlen soll.

Das ukrainische Olympiateam wollte Trauerflor tragen wegen der vielen Opfer in seiner Heimat. Das wurde ihm vom IOC untersagt. Sport bleibt Sport, und Mord bleibt Mord. Das gehört gefälligst getrennt. Daraufhin reisten einige der Sportler ab. „Aus Solidarität mit den Kämpfern auf den Barrikaden verweigern wir eine weitere Teilnahme an den Olympischen Spielen in Sotschi 2014“, hieß es zur Begründung. IOC-Präsident Thomas Bach hingegen flüchtet sich in diplomatische Neutralität: „Unsere Gedanken und unser Mitgefühl sind beim ukrainischen Team, das eine schwere Zeit erlebt.“ Die Sportler seien ein Beispiel dafür, „dass Sport Brücken bauen und dabei helfen kann, Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund in Frieden zusammenzubringen“. Guido Westerwelle hätte es kaum besser ausgedrückt.

Solches hört der Gastgeber gern. Bloß keine Vermischung von Sport und Politik! Dabei könnte das Gegenteil grandios sein, so still wie eindrucksvoll – wenn nämlich am Sonntagabend die festlich inszenierte Abschlussfeier weltweit direkt übertragen wird und der eine oder andere Sportler würde einen schwarzen Trauerflor am Revers tragen. Ohne Plakate, Sprechchöre oder langatmige Erklärungen. Es wäre ein Zeichen, dass die Zeitgleichheit von Sport und Mord nicht jeden Menschen kalt lässt.

Möge sich Putins Gesicht versteinern an diesem Abend, der dem Einfluss der russischen Kultur auf das Welterbe gewidmet ist. Und möge es dem IOC eine Lehre sein, dass „Brücken bauen“ manchmal auch heißen kann, der Menschlichkeit eine Brücke zu bauen.

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