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Erst denken, dann handeln? Obama zögert, in Syrien militärisch einzugreifen.

© Reuters

US-Außenpolitik: Syrien ist Nebensache

Trotz Berichten über den Einsatz von Giftgas in Syrien zögert der US-Präsident, militärisch einzugreifen. Kritiker werfen ihm Schwäche vor und warnen, der Iran könnte ebenfalls "rote Linien" überschreiten. Warum Obamas Haltung dennoch richtig ist.

Barack Obama gibt keine gute Figur ab. Er wirkt unentschlossen und damit schwach. Er hat einen Giftgaseinsatz in Syrien als „rote Linie“ bezeichnet und das Assad-Regime gewarnt, wenn es so weit komme, müsse es mit einer starken Reaktion der USA rechnen. Doch nun, da mehrere westliche Länder sich ziemlich sicher sind, dass Assads Militär genau das getan hat, passiert – nichts.

Das ist so ziemlich der Albtraum vieler Amerikaner. Die wahre Macht einer Supermacht hängt nicht davon ab, dass sie tatsächlich überall interveniert. Sondern davon, dass sie gefürchtet wird und ihre Gegner rote Linien respektieren, weil sie das Risiko, andernfalls bestraft zu werden, als zu hoch einschätzen. Nun steht ihr Präsident als Mann der leeren Drohung da. Das hat nicht nur Folgen für Syrien. Auch im Iran und in Nordkorea werden die Regierungen ihre Schlüsse ziehen. Es lohnt sich offenbar zu testen, wie weit man sich den USA widersetzen kann.

Andererseits: Das tun die Mullahs in Teheran und der Quartalsprovokateur in Pjöngjang doch jetzt schon. Und wer sagt denn, dass die USA auf das Überschreiten der roten Linie in Syrien nicht reagieren. Muss es denn immer der unverzügliche Befehl zum Militäreinsatz sein, mit dem Amerika seine Autorität verteidigt?

An den Gründen, die für und die gegen eine bewaffnete Intervention in Syrien sprechen, hat sich wenig geändert. Niemand möchte, dass ein Diktator wie Assad an der Macht bleibt – aber ebenso wenig, dass radikale Islamisten ihn ersetzen. Selbst mit einem massiven, koordinierten und international abgesegneten Bodentruppeneinsatz lässt sich nur der Sturz des Regimes erzwingen, nicht aber das vom Westen gewünschte Happy End, der Aufbau einer Demokratie. In Libyen ist die Lage auch nicht viel schlechter als in Afghanistan oder im Irak – mit dem gravierenden Unterschied, dass der Westen nicht mit tausenden Toten und unzähligen Milliarden, die daheim fehlen, für die Umwälzung bezahlt hat. Es genügte, den einheimischen Widerstand gegen Gaddafi aus der Luft zu unterstützen.

Obama wirkt jetzt schwach, das ist nicht zu leugnen. Aber die Forderungen seiner Gegner, wie er militärisch Stärke beweisen könne, klingen, wenn man die Folgen bedenkt, auch nicht überzeugend. Er wird zweifellos mehr tun müssen, um den Sturz Assads wahrscheinlicher zu machen. Das gilt erst recht, wenn Amerika Einfluss darauf behalten möchte, welche Gruppen in dem heterogenen Widerstand die Oberhand gewinnen.

Wichtiger jedoch ist der Blick auf den Iran und Nordkorea. Amerika müsse auf Giftgas in Syrien hart reagieren, damit die Drohungen gegen Teherans Atomprogramm glaubwürdig bleiben, argumentieren Obamas Kritiker. Doch die Sache ist komplizierter. Das effektivste Druckmittel auf den Iran und Nordkorea ist der Schulterschluss der USA mit China und Russland. Daher sollte Obama in Syrien nichts tun, was diesen Zusammenhalt gefährdet. Der Iran ist eine wichtigere Herausforderung als Syrien. Im besten Fall denkt Obama weiter als seine Kritiker.

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