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Recep Tayyip Erdogan feiert den Wahlsieg mit seinen Anhängern in Ankara.

© AFP

Wahlen in der Türkei: Erdogan und sein gespaltenes Land

Die Kommunalwahlen konnte Ministerpräsident Erdogan mit seiner Partei AKP für sich entscheiden. Doch was zunächst nach einem großen Erfolg aussieht, offenbart nur einmal stärker die Spaltung eines ganzen Landes.

Recep Tayyip Erdogan hat gewonnen, aber viel Grund zur Freude kann er nicht haben. Trotz des brutalen Vorgehens gegen die Gezi-Proteste des vergangenen Jahres, trotz der Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung und trotz der Zugangssperren für Twitter und Youtube hat die Erdogan-Partei AKP bei den Kommunalwahlen am Sonntag ihre Position als stärkste Partei behaupten können. Das ist ohne Zweifel ein großer Erfolg. Doch für Triumphgeschrei gibt es im Regierungslager keinen Grund.

Ab sofort kann der 60-Jährige nicht mehr für sich in Anspruch nehmen, die Mehrheit der Türken zu vertreten, oder den „nationalen Willen“, wie er es nennt. Noch vor drei Jahren holte seine AKP bei den Parlamentwahlen fast 50 Prozent – verglichen mit diesem Wert ist das Ergebnis von 45 Prozent ein Dämpfer.

Erdogan selbst hatte die Kommunalwahlen zu einer Abstimmung über seine Regierung erklärt. Nun muss er erkennen, dass er und die AKP seit Sonntag keine erdrückende Mehrheit mehr hinter sich haben.

Erdogan regiert ein tief gespaltenes Land. Der Ministerpräsident hat diese Spaltung in den vergangenen Monaten ganz bewusst weiter vertieft, um seine eigene konservative Wählerschaft um sich zu scharen. Das ist gelungen, doch der Preis dafür ist hoch, das politische Klima vergiftet.

Spalten statt Vereinigen

Die Versuche, den Korruptionsskandal unter den Teppich zu kehren, werden weiter für Bitterkeit bei den Erdogan-Gegnern sorgen. Der Ministerpräsident selbst mag das Ergebnis vom Sonntag als Freispruch von allen Vorwürfen betrachten. Seine Kritiker sehen das ganz anders und werden ihn weiter unter Druck setzen.

Erdogan wird sich nach der Wahl wohl ermuntert sehen, mit neuer Härte gegen seine mutmaßlichen Feinde vorzugehen. Auch könnte er aus dem Ergebnis die Aufforderung herauslesen, im Sommer für das Amt des Staatspräsidenten zu kandidieren. Allerdings hat sich Erdogan in jüngster Zeit nicht eben präsidial verhalten – spalten statt versöhnen, lautete sein unausgesprochenes Motto.

Kein Platz für Kritiker

Gefragt wären jetzt Kompromissfähigkeit, Transparenz, Dialog – alles Dinge, die überhaupt nicht Erdogans Stil der vergangenen Monate entsprechen. So lange der Ministerpräsident alle Kritiker als Feinde betrachtet, wird das Land nicht zur Ruhe kommen. Wenige Tage vor der Wahl erstattete der Regierungschef noch Strafanzeigen gegen einige Journalisten und Fernsehkommentatoren. Das könnte ein Vorzeichen dessen sein, was der Türkei in den kommenden Monaten bevorsteht.

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