zum Hauptinhalt

Bundesregierung: Westerwelles Kampf nach dem Kampf

Guido Westerwelle will sich nun voll auf das Amt als Außenminister konzentrieren - wenn er es darf. Bundeskanzlerin Merkel muss entscheiden, ob sie sich einen Chefdiplomaten leisten kann, der nicht einmal seine eigene Partei überzeugen konnte.

In allerletzter Minute hat Guido Westerwelle dann doch noch gehandelt und am Sonntagabend erklärt, dass er sich nicht noch einmal um den FDP-Vorsitz bewerben wolle. Um den Anschein zu erwecken, er und nur er habe diese Entscheidung getroffen. Hätte er noch bis Montag morgen gewartet, andere hätten ihm das Heft des Handelns aus der Hand genommen. Das war spätestens mit dem Wochenende klar, an dem all seine Parteifreunde längst ohne ihn planten. So steil wie er aufstieg, so steil geht es jetzt nach unten. Im Abgang hat er auch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger noch einmal einen Stüber mitgegeben. Einen Generationswechsel soll es geben. Den verkörpert die als linksliberal geltende Justizministerin nicht. Nun also sollen die jungen Persönlichkeiten ans Ruder, wie der Noch-Parteichef sagt.

Sie sollten sich die Arbeit nicht zu leicht vorstellen. Verdienste wurden in ihrer Partei in den vergangenen Jahren vor allem gewürdigt, wenn einer geht. So wie jetzt bei Guido Westerwelle, den zum angekündigten Abschied plötzlich selbst stetige Kritiker lobten. Ansonsten war der Umgang miteinander in der FDP oft rau. Das kennt auch Westerwelle. Ihm verdankt die Partei, dass sie es überhaupt bis in die Regierung geschafft hat. Er ist immer wieder aufgestanden, hat alle möglichen Varianten ausprobiert, um seine Partei nach vorne zu bringen. Verlacht für Big Brother, verlacht für sein Projekt 18. Er hat immer gekämpft. Allerdings hat er schon eine Weile nicht mehr gemerkt, dass er zunehmend autoritär auftrat, seine Autorität aber schwand. Kampfgeist haben die Jungen in der Partei bisher allerdings nicht erkennen lassen.

Doch sie werden viel davon brauchen. Denn jetzt fängt die eigentliche Arbeit erst an. Wer Parteichef werden will, muss sich um den Vorsitz bewerben – und noch haben einige eine Rechnung offen.

Die FDP ist in einer tiefen Krise, sie hat kein erkennbares Profil mehr, auch wenn mancher das noch immer nicht wahrhaben will und jugendlich wirkende Gesichter das Manko nun kaschieren sollen. Die Wähler haben das längst gemerkt. Sie wollen nicht länger vor allem Fassade. Der Einschnitt, den Westerwelles Abgang bedeutet, heißt sehr viel mehr als nur den Wechsel von einem Parteichef zum nächsten.

Diejenigen, die die Zukunft der Partei gestalten wollen, werden ein offenes Team bilden müssen, keine abgeschotteten Zirkel, die in Kritik vor allem Neid anderer sehen. Sie müssen offen sein für Themen und Personen. Dann könnten den Jungen auch manch verdiente Ältere zur Seite stehen, die in Westerwelles Partei nur noch wenig galten, aber für das Gleichgewicht wichtig sind. Diejenigen, die führen wollen, müssen die Liberalen re-liberalisieren. Sie müssen die inhaltliche Basis der so verengten FDP wieder öffnen. Liberal hat etwas mit Freiheit zu tun, mit freiem Denken, nicht nur mit Lobbyarbeit für einzelne Gruppen.

Guido Westerwelle hat der Partei seinen Stempel nicht nur in den zehn Jahren als Vorsitzender aufgedrückt, die FDP war seine Heimat. Nun, verkündet er im staatstragenden Traueranzug, will er sich ganz auf das Amt des Außenministers konzentrieren. Diesen Kampf will er noch kämpfen. Doch hat er dafür je gestanden? Er war nie für außenpolitische Ideen bekannt, das Amt sollte sein Mittel zur Macht sein. Das einzige Mal, dass er in diesem Amt bisher angekommen zu sein schien, war an dem Tag, als er auf dem Tahrir-Platz in Kairo von den Menschen gefeiert wurde. Die Szene ähnelte der, als Helmut Kohl, im Westen praktisch schon abgewählt, in der Wendezeit in Dresden die Massen begeistern konnte. Doch Westerwelle hat diesen Schwung nicht mitnehmen und für sich nutzen können. Es gibt einige auf internationalem Parkett, die meinen, er stehe nicht für Werte, sondern nur für seine Werte.

Wie lange werden die Treueschwüre seiner Parteikollegen in diesem Punkt reichen? Wie lange kann und will sich die Bundeskanzlerin in diesen bewegten Zeiten einen Außenminister leisten, der nicht einmal seine eigene Partei überzeugen konnte? Kaum jemand glaubt noch an eine Radikalmetamorphose von Guido Westerwelle.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false