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Meinung: Zu viele Glaskugelgucker

Gelassenheit ist die richtige Reaktion in wirtschaftlich unsicheren Zeiten.

W as läuft schon wie geplant? Und bei der Euro-Rettung kommt sowieso alles anders als gedacht. Vor zehn Tagen beschlossen die Rettungskünstler eine historische Reform inklusive 200 Milliarden Euro zusätzlich für den IWF, damit der Währungsfonds mehr Power bekommt – auch wegen Spanien und Italien. Jetzt wird klar: Bestenfalls 175 Milliarden kommen zusammen, weil die Briten zumindest vorerst nicht mitmachen. Die Reaktion der Märkte auf die neue Überraschung aus der Politik: fallende Kurse.

Einen Tag später steigen die Kurse wieder, weil sich Verbraucher und Unternehmer erstaunlich sorgenfrei geben: Die Freude am Konsum ist den Leuten bisher nicht vergangen und die Firmen sehen sogar mit frohen Erwartungen in die Zukunft. Ganz anders als die professionellen Glaskugelgucker aus der Wissenschaft: Ein Institut nach dem anderen reduziert die Wachstumserwartung für 2012, und das gewerkschaftliche IMK sieht die deutsche Wirtschaft sogar in die Rezession rutschen. Dafür gibt es jedoch kaum Indizien – anders als in Italien, wo die Wirtschaftsleistung im nächsten Jahr vermutlich um 1,5 Prozent sinken wird. Viel besser sieht es in den anderen südeuropäischen Krisenländern auch nicht aus. Die panischen Sparmanöver verstärken überall den Trend in die Rezession, die IWF-Chefin Christine Lagarde für die Weltwirtschaft befürchtet.

Das trifft dann auch die stark vom Export lebende deutsche Volkswirtschaft. Aber den wichtigsten Branchen – Maschinen- und Fahrzeugbau – geht es immer noch ausgezeichnet. Wegen China. Und das bleibt vermutlich so. Ferner profitieren Investoren und Konsumenten hierzulande vom billigen Geld, für das die Europäische Zentralbank mit ihrer Niedrigzinspolitik auf absehbare Zeit sorgt.

Das Geld ist günstig, aber gibt es überhaupt Geld? Allerorten warnen die Fachleute – und vor allem Banker – vor einer Kreditklemme, weil die Banken künftig mit mehr Eigenkapital ihre Kredite unterlegen müssen. Wenn sie das Eigenkapital aber nicht haben, gibt es weniger Kredite. Und dann weniger Investitionen und weniger Konsum, weniger Wachstum und mehr Arbeitslosigkeit. Das kann so sein und betrifft doch die Bundesrepublik vermutlich weniger stark wegen des diversifizierten Systems mit Sparkassen und Genossenschaftsbanken.

Sieht man also alles nur in allem, dann darf man gelassen sein in diesen Tagen und ein bisschen Geld ausgeben. Die Zukunft ist unsicher genug. Auch wegen der Politik. Was mögen die Amerikaner im Wahljahr anstellen? Gehen die chinesischen Schattenbanken hoch? Und womit verwirren die Europäer und ihre junge Währung die Märkte? EZB-Präsident Mario Draghi hat gerade wieder ein stärkeres Engagement der Zentralbank für die Krisenstaaten, die von den ständig steigenden Zinsen kaputtgemacht werden, abgelehnt. So geht das seit anderthalb Jahren: Die Euro-Retter lehnen Instrumente ab, die sie später doch einführen müssen. Auch im neuen Jahr wird sich daran nichts ändern.

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