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 Kundgebung der IG Metall vor dem Hotel Radisson Blu am Bahnhof Dammtor. Dort begann am Montag die zweite Runde der Tarifverhandlungen für die Metall- und Elektroindustrie. Die Gewerkschaft fordert für die mehr als 130.000 Beschäftigten im Bezirk Küste acht Prozent mehr Lohn. Um diese Forderung zu untermauern, wurde vor dem Verhandlungshotel demonstriert. Rotherbaum Hamburg *** IG Metall rally in front of the Radisson Blu hotel at Dammtor train station The second round of collective bargaining for the metal and electrical industry began there on Monday The union is demanding eight percent more pay for the more than 130,000 employees in the coastal district To back up this demand, a demonstration was held in front of the negotiating ho

© Foto: IMAGO/Hanno Bode

Mindestens zehn Prozent mehr Geld: Harte Tarifkonflikte stehen bevor

Verdi will für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst mindestens zehn Prozent mehr Geld. In der Metallindustrie wird Ende des Monats gestreikt.

| Update:

Frank Werneke ist der neue Heinz Kluncker. Der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi wird am kommenden Dienstag eine Lohnforderung für den öffentlichen Dienst präsentieren, die an einen legendären Konflikt aus dem Jahr 1974 erinnert. Der Krieg im Nahen Osten hatte damals eine Ölkrise zur Folge, die wiederum zu einer Inflationsrate von rund sieben Prozent führte. Die Gewerkschaften reagierten mit hohen Forderungen, ÖTV-Chef Kluncker rief 15 Prozent auf. Bundeskanzler Willy Brandt war entsetzt und mahnte, eine zweistellig Erhöhung sei den öffentlichen Kassen nicht zuzumuten. Mit einem dreitägigen Streik ließ Kluncker Müllabfuhr und Personenverkehr lahmlegen - und setzte schließlich eine Tariferhöhung um elf Prozent durch.

Die Geschichte wiederholt sich, die Akteure wechseln. 2001 fusionierte die ÖTV mit vier weiteren Gewerkschaften zu Verdi. Seit 2019 ist Werneke der Verdi-Vorsitzende. Er macht mit bei der konzertierten Aktion, die Bundeskanzler Olaf Scholz wiederbelebt hat, um die Krisenpolitik mit den Sozialpartnern abzustimmen. Als Instrument gegen hohe Prozentforderung hat Scholz die Inflationsprämie von 3000 Euro erfunden, die von den Arbeitgebern steuer- und sozialabgabenfrei an die Arbeitnehmer gezahlt werden kann. Ähnlich der Coronaprämie, die es bis März gab. Doch das reicht nicht mehr. Die Preise bleiben dauerhaft doch, deshalb streben die Gewerkschaften dauerhafte Tariferhöhungen an.

Frank Werneke steht dabei besonders unter Druck. Die in der Pandemie vereinbarten Tarifverträge für den öffentlichen Dienst waren mickrig und in knapp einem Jahr steht die Wiederwahl des Verdi-Vorsitzenden an. Die Verhandlungen für 2,3 Millionen Beschäftigte in den Kommunen und beim Bund beginnen zwar erst im Januar, doch am bereits beschließen die Gremien von Verdi und Beamtenbund (dbb) die Forderung, die der dbb-Vorsitzende Ulrich Silberbach in einem Korridor zwischen acht und elf Prozent sieht. In Gewerkschaftskreise hieß es am Wochenende, man werde sich auf eine Forderung verständigen.

Ulrich Silberbach (links), Bundesvorsitzender des Beamtenbundes dbb und Verdi-Chef Frank Werneke bilden eine Tarifgemeinschaft für den öffentlichen Dienst.

© Wolfgang Kumm/dpa

Verdi prescht damit vor. Für die 3,8 Millionen Beschäftigten in der Metallindustrie möchte die IG Metall acht Prozent erreichen, und die IG BCE hat für die 550 000 Chemiearbeiter gar keine Prozentzahl aufgerufen. Verdi dagegen verlangt 10,5 Prozent mehr für die Unikliniken in Baden-Württemberg und sogar zwölf Prozent beim Tüv (Rheinland und Saarland). Die Arbeitgeber haben vor ein paar Tagen an Verdi appelliert, „bei der Forderungsfindung maßvoll zu sein und die schwierige Situation der kommunalen Arbeitgeber angemessen zu berücksichtigen“.

Es ist zwingend, dass die Tarifparteien in der Krise an einem Strang ziehen.

Karin Welge, Verhandlungsführerin der Arbeitgeber

Karin Welge, SPD-Oberbürgermeisterin in Gelsenkirchen, führt die Verhandlungen für die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA). „Die Kommunen, kommunalen Krankenhäuser, die Sparkassen und die weiteren kommunalen Unternehmen stehen infolge der Auswirkungen der Corona-Pandemie sowie des Ukrainekrieges unter enormen finanziellen Druck“, sagt Welge. Der Investitionsrückstand der Kommunen belaufe sich inzwischen auf 159 Milliarden Euro, die Betreuung der Flüchtlinge aus der Ukraine sei eine große Herausforderung. „Es ist daher zwingend, dass die Tarifvertragsparteien in der anstehenden Tarifrunde an einem Strang ziehen, um diese Krise zu bewältigen“, fordert Welge. Das wird so kommen, aber Werneke zieht in eine andere Richtung als Welge.

Ende Oktober gibt es Warnstreiks

Die Erwartungen der Arbeitnehmer sind so hoch wie lange nicht mehr. Nach mageren Pandemiejahren und Reallohneinbußen aufgrund der hohen Inflation sollen die Gewerkschaften fette Tariferhöhungen erreichen. Das wird nicht gelingen ohne Streiks, wie die aktuellen Erfahrungen in der Metallindustrie zeigen. Die Verhandlungen treten auf der Stelle, die Arbeitgeber wollen erst beim dritten Termin ein Angebot vorlegen und erst einmal abwarten, wie viele Leute die IG Metall bis dahin auf die Straße bekommt. Am 28. Oktober endet die Friedenspflicht, dann will die IG Metall mit Warnstreiks Druck machen.

Metallarbeitgeber wollen nichts zahlen

„Der Verteilungsspielraum ist eigentlich null“, sagt Harald Marquardt, Verhandlungsführer der Metallarbeitgeber in Baden-Württemberg, wo der Pilotabschluss für die ganze Republik angestrebt wird. Viele Unternehmen ächzen ebenso wie die privaten Haushalte unter den hohen Energiepreisen und der Rezession. „Wir lassen nicht zu, dass die IG Metall den Unternehmen das Licht ausmacht“, sagt Marquardt. „Wenn wir die Forderung unterschreiben, kippen unsere Unternehmen aus den Latschen.“ Sein Tarifpartner hält dagegen: „Wir sind bei weitem nicht in so einer krisenhaften Stimmung wie im März 2020“, sagt Roman Zitzelsberger, Chef der IG Metall in Baden-Württemberg. Den meisten Firmen gehe es noch gut, die Auftragsbücher seien voll.

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Die IG Metall hat ihre Acht-Prozent-Forderung bereits vor Monaten beschlossen, was Vor-und Nachteile hat. Mit jedem Monat steigt nun die Inflationsrate - und damit die Erwartungen der Beschäftigten an die Tarifparteien. Wenn sie heute eine Forderung aufstellen würden, dann müsste die auch zweistellig ausfallen, sagt Zitzelsberger. Wie bei Verdi und dem öffentlichen Dienst. Je höher die Forderung, desto schwieriger die Kompromissfindung. Die Tarif- und Sozialpartner haben anspruchsvolle Wochen vor sich.

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