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Der Platz am Prager Obstmark verwandelte sich am Freitagabend in ein Lichtermeer.

© REUTERS/David W Cerny

Nach Amoklauf an Prager Universität: Blumen und Kerzen gegen Schock und Trauer

13 Tote, 27 Verletzte – der Amoklauf von Donnerstag versetzt Prag in einen Schockzustand. Am Tag danach versammeln sich Hunderte, um gemeinsam zu trauern.

Von Marcus Hundt

Auf dem Rudolfinum in Prag wehen am Freitag schwarze Flaggen. Nur wenige Meter vom Konzerthaus entfernt – auf dem Jan-Palach-Platz im Stadtzentrum – legen Menschen Blumen nieder, zünden Kerzen an, viele von ihnen halten einen Augenblick inne. Sie blicken auf das von der Polizei abgesperrte Gebäude der Philosophischen Fakultät, in dem sich am Tag zuvor das größte Schusswaffen-Attentat in der Geschichte Tschechiens ereignete. Eine 21-jährige Biologie-Studentin zündet eine Gedenkkerze an. „Ich habe keine Worte für diese Tat, ich bin traurig, geschockt und hätte nie für möglich gehalten, dass so etwas bei uns passieren kann“, sagt sie dem Tagesspiegel.

Ein 24 Jahre alter Student tötete dort mit einer Waffe am Nachmittag insgesamt 13 Menschen und sich selbst. Laut Polizeiangaben wurden 27 Menschen verletzt, zehn davon schwer. Der Amokläufer habe legal mehrere Waffen besessen und vor dem Attentat an der Uni seinen Vater in dessen Wohnhaus in einem Prager Vorort erschossen, sagte Polizeipräsident Martin Vondrášek. Die Polizei geht davon aus, dass der Täter bereits Ende vergangener Woche zwei weitere Menschen in einem Waldstück nahe seinem Heimatort getötet habe, einen Vater und sein zwei Monate altes Baby.

Unter den Verletzten befindet sich auch eine Studentin, die einem Reporter des Tschechischen Rundfunks im Krankenhaus von dem Vorfall berichtete: „Wir hatten gerade Unterricht, und dann hörten wir plötzlich einen seltsamen Knall. Wir dachten, dass jemand im Flur Blödsinn macht. Aber auf einmal schoss jemand durch die Tür.“ Danach sei sie mit anderen Studenten durch das Fenster auf einen Balkon im dritten Stockwerk des Gebäudes gesprungen. „Dort haben wir ein Fenster eingeschlagen, sind in den Raum geklettert und heruntergerannt, wo schon die Sicherheitskräfte waren.“

Wir hatten gerade Unterricht, und dann hörten wir plötzlich einen seltsamen Knall. Wir dachten, dass jemand im Flur Blödsinn macht. Aber auf einmal schoss jemand durch die Tür.

Eine Studentin, die zum Zeitpunkt der Tat in der Universität war

Tschechiens Präsident Petr Pavel, mehrere Regierungsmitglieder, aber auch ausländische Regierungschefs wie Bundeskanzler Olaf Scholz und der französische Präsident Emmanuel Macron sprachen den Angehörigen der Opfer ihr Beileid aus. Für Samstag wurde eine eintägige Staatstrauer ausgerufen, im Veitsdom auf der Prager Burg wird Erzbischof Jan Graubner einen Gottesdienst abhalten.

Innenminister kündigt schärfere Sicherheitsmaßnahmen an

Innenminister Vít Rakušan sprach von einer „beispiellosen Tat, die Tschechien in seiner Geschichte noch nie erlebt“ habe. „Es ist etwas geschehen, wovor wir uns alle fürchten und doch schwer zu verhindern ist: ein Mensch, der eigene Probleme hat und nicht nur sich selbst, sondern auch anderen das Leben nimmt“, sagte der Minister am Abend nach dem Anschlag und kündigte „weitreichende Folgen“ an.

Unter anderem sollen nun Sicherheitsmaßnahmen im Land verschärft und die Präsenz bewaffneter Polizisten an bestimmten Orten ausgeweitet werden. Gleichzeitig lobte Rakušan den „professionellen Polizeieinsatz“ direkt nach dem Attentat. Die Sicherheitskräfte seien mutig in das Gebäude eingedrungen und hätten das Feuer sofort erwidert. Vor Ort stellten sie ein „gewaltiges Arsenal“ an Waffen und Munition sicher. Hunderte Polizisten waren am Donnerstag im Einsatz, das Gebiet um den Tatort wurde weiträumig abgesperrt, auch die nahegelegene Karlsbrücke konnte für mehrere Stunden nicht passiert werden.

Kerzen für die Opfer: Viele Tschechinnen und Tschechen zündeten eine Kerze im Gedenken an die Toten an.
Kerzen für die Opfer: Viele Tschechinnen und Tschechen zündeten eine Kerze im Gedenken an die Toten an.

© AFP/MICHAL CIZEK

Nicht nur am Jan-Palach-Platz, auch vor dem Hauptgebäude der Karls-Universität in der Altstadt trauern unzählige Prager um die Opfer. Das Karolinum, der historische Kern der ältesten Universität nördlich der Alpen, hat sich am Tag nach dem Anschlag zum zentralen Gedenkort entwickelt.

 Ich kann nur hoffen, dass man sich immer an die Opfer und niemals an den Mörder erinnern wird.

Ein Student, einen Tag nach der Tat

Auch viele Studenten sind dorthin gekommen und zeigen sich erschüttert über die Tat ihres Kommilitonen. Einer von ihnen erklärte gegenüber der tschechischen Tageszeitung „Lidové noviny“, dass er bei dem Amoklauf einen sehr engen Freund verloren habe: „Es fällt mir schwer, hier zu stehen. Es gibt vielleicht keine schlimmere Tragödie. Alle, die dort ums Leben gekommen sind, waren unschuldig. Ich kann nur hoffen, dass man sich immer an die Opfer und niemals an den Mörder erinnern wird.“

Der Platz am Obstmarkt gleicht einem Lichtermeer. Und trotz frostiger Temperaturen und gelegentlichem Schneefall kommen die Prager auch noch am Nachmittag hierher, um Abschied von den Opfern dieses Verbrechens zu nehmen. Eine Rentnerin legt eine Lilie ab, direkt neben einen Strauß roter Rosen, und hat dabei Tränen in den Augen.

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