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© dpa

Abenddämmerung für Italiens Premier: Was kommt nach Berlusconi?

Silvio Berlusconi will zurücktreten, doch wer wird ihm folgen? Sein Koalitionspartner möchte die Regierung mit einem anderen Premier fortsetzen, die Opposition strebt nach einer breiten Übergangsregierung bis zu den regulären Wahlen.

Geschafft. In jeder Hinsicht. Die mit Spannung erwartete Abstimmung im italienischen Parlament über den Rechnungsabschluss für 2010 hat Silvio Berlusconi am Dienstag zwar gewonnen – aber nur, weil seine Gegner sich der Stimme enthalten haben. Mit 308 Stimmen blieb der angeschlagene Regierungschef bei dieser eigentlich nebensächlichen Abstimmung auch noch derart unter der absoluten Mehrheit, dass Staatspräsident Giorgio Napolitano am Abend den Schlusspunkt setzte: Berlusconi, so teilte der Quirinalspalast auf dem Hügel nach einer einstündigen Unterredung mit dem Ministerpräsidenten mit, werde die von der EU verlangten Sanierungsmaßnahmen durchs Parlament bringen und dann sein Amt zur Verfügung stellen. Das wird, nach Lage der Dinge, nächste Woche sein.

Schon am Mittag hatte in überraschender Weise auch noch Umberto Bossi, der bisher ebenso treue wie erpresserische und kapriziöse Koalitionspartner, Berlusconi den Abschied gegeben. „Wir haben Berlusconi gesagt, er soll zur Seite treten“, knurrte der Chef der Lega Nord am Mittag. Und als wäre es ein konstruktives Misstrauensvotum, hatte Bossi gleich Ersatz zur Hand. Den Premier, sagte Bossi, solle Angelino Alfano machen, der frühere Justizminister und heutige Parteisekretär Berlusconis.

Das hieß: Als letzte parlamentarische Kraft – von Berlusconis „Volk der Freiheit“ natürlich abgesehen – hatte sich die Lega Nord in die Gegner Berlusconis und in die Befürworter einer Übergangsregierung eingereiht. Noch zwei Tage zuvor hatte sie gerufen: „Entweder Berlusconi bleibt, oder es gibt Neuwahlen.“

Bossis Übergangsregierung allerdings sieht anders aus als das, was sich in der Opposition die Christ- und die Sozialdemokraten darunter vorstellen. Bossi will eine politische Fortsetzung der bisherigen Koalition, nur unter einem anderen Premier. Die Opposition und Staatspräsident Giorgio Napolitano hingegen streben nach einer „technischen Lösung“: nach einer ganz neuen, breit getragenen Übergangsregierung für ein paar Monate, maximal bis zur regulären Wahl im Frühjahr 2013.

Modell ist jene Lösung, die nach dem Scheitern von Berlusconis erster, nur achtmonatiger Regierung im Januar 1995 gefunden worden war. Damals kam Finanzminister Lamberto Dini ans Ruder. Sein Kabinett bestand ausschließlich aus nichtpolitischen Renten-, Finanz- und Rechtsexperten, die Italien mit Haushaltskorrekturen und Pensionsreformen für den Beitritt zum Euro fitmachen und dann, nach 16 Monaten, wieder gehen sollten.

Eine solche „technische“ Übergangsregierung könnte heute unter Führung des Wirtschaftsprofessors und ehemaligen EU-Kommissars Mario Monti stehen. Dieser wäre international, bei Politik und Finanzmärkten, vorzeigbar. Die Opposition ist offenbar bereit, ihn parlamentarisch zu stützen. Nur Berlusconi will Monti nicht haben: zum Teil aus Eifersucht, zum Teil aus Angst, das Nichtstun der eigenen Regierung über Jahre hinweg könnte dann hochprofessionell aufgedeckt werden.

Nur käme selbst „Super-Mario“ Monti, wenn er die von EU und Internationalem Währungsfonds verlangten Sanierungsmaßnahmen verwirklichen soll, ohne Stimmen aus dem heutigen Regierungslager nicht aus. Die aber bekommt er bis auf Weiteres nicht. Angelino Alfano wiederum, Umberto Bossis Übergangskandidat, bräuchte Stimmen aus der Opposition. Da Alfano dort aber lediglich als Statthalter Berlusconis gilt, als „treuer Diener seines Herrn“, wird nach menschlichem Ermessen auch diese Unterstützung nicht zustande kommen.

Kompromisskandidaten, die in beiden Lagern akzeptiert würden, sind derzeit nicht in Sicht. Das heißt: Die Bildung einer Übergangsregierung ist einstweilen blockiert. Blockiert ist auch die „Hypothese Neuwahlen“. Keiner will sie mehr, weil ein monatelanger Wahlkampf die aktuell notwendigen Maßnahmen zur Haushaltssanierung nur hinauszögern und Italien in ein politisches Vakuum stürzen würde.

Brüssel aber verlangt schnelle Antworten. „Sie müssen so schnell wie möglich erfolgen, ob von dieser Regierung oder von einer anderen“, sagte ungeduldig der EU-Kommissar Olli Rehn am Dienstagabend. In Rom aber geht auch die Frage um, wie schnell eine Übergangsregierung bei der Umsetzung der Sanierungsbeschlüsse sein kann. Würde ein Fachmann wie Mario Monti das Paket Berlusconis ohne Änderungen gutheißen und durchsetzen? Die Sozialdemokraten jedenfalls wollen sich an dem Abenteuer nur dann beteiligen, wenn das mit der EU bereits abgestimmte Paket wieder aufgeschnürt und „sozial gerecht“ neu verhandelt wird.

Als minimale Zusatzlösung, die gleichwohl einen enormen, sofortigen Effekt für den Abbau der italienischen Staatsschulden hätte, ist derzeit eine Vermögensteuer für Reiche im Gespräch. Einer solchen könnten nach letztem Stand sogar Teile der heutigen Regierungskoalition zustimmen; einzig der 75-jährige Multimilliardär Berlusconi wehrte sich bis zur letzten Minute gegen eine Abschöpfung dieser Art.

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