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Politik: Abtauchen im Strudel

Präsident Bush hat eine schlimme Woche hinter sich. Die Anklage gegen Cheneys Stabschef ist der Höhepunkt

Karl Rove ist noch da. Man merkt es am Umgang des Weißen Hauses mit den Hiobsbotschaften. Entweder eine starke gute Nachricht dagegensetzen, so hat es Präsident George W. Bushs Stratege stets gehalten – oder, wenn das nicht geht, „low profile“ bewahren: nicht reagieren, als sei nichts vorgefallen, während Verbündete die Affäre herunterspielen.

Die Anklage gegen Lewis Libby, Stabschef des Vizepräsidenten Cheney, wegen Falschaussage und Behinderung der „Leakgate“-Untersuchung ist eine megaschlechte Nachricht. Zum ersten Mal seit 135 Jahren, so versuchen die Demokraten die Nachricht am Freitagabend und Sonnabend als Staatskrise zu deuten, sei ein hoher Mitarbeiter des Präsidenten angeklagt. Es war nicht die einzige Hiobsbotschaft für Bush in der vergangenen Woche. Sie begann mit wieder unzureichenden Reaktionen auf einen Hurrikan, diesmal „Wilma“ in Florida; die Zahl der Gefallenen im Irak stieg auf über 2000; und dann gab Harriet Miers, Bushs Kandidatin für das Oberste Gericht, auf. Da blieb Karl Rove nichts anderes übrig, als beide Varianten der Krisenreaktion zu kombinieren – auf eine Art, die zerstörerisch aussehen mochte, aber den Schaden für Bush auf das Unvermeidbare reduzierte.

Miers erklärte ihren Rückzug am Donnerstag, was die Krise angesichts der erwarteten Libby-Anklage erst mal verstärkte. Aber sie verdrängte damit die Libby-Vorberichterstattung aus den Freitagszeitungen und blieb im Fernsehen ein Ein-Abend-Ereignis. Die Schlappe muss irgendwann eingeräumt werden – also Augen zu und durch. Seit Freitag zählt nur noch ein Thema: der Bericht des Staatsanwalts Patrick Fitzgerald über die Enttarnung der CIA-Mitarbeiterin Valerie Plame. Der Versuch, ihm die Schau zu stehlen – fast parallel hielten Bush und Cheney Reden –, misslang. Live übertragen wurde Fitzgerald.

Konzentriert trug der 44-Jährige seine Zusammenfassung vor, leckte immer wieder die Lippen , seine Augen wanderten zwischen den TV-Kameras hin und her, selten blickte er auf seine Notizen. Er weiß, wie schnell ein Ankläger zum Angeklagten werden kann. Kenneth Starr, Sonderermittler gegen Präsident Clinton in der Lewinsky-Affäre, ist ein Beispiel. Fitzgerald hat nach anderthalb Jahren Untersuchung nicht genug beisammen für eine Anklage im Hauptpunkt – wer trägt Schuld an der Enttarnung? Deshalb erhebt er „nur“ Anklage wegen Falschaussage und Behinderung gegen Libby. Man habe versucht, ihn in die Irre zu führen, habe vertuscht und gelogen. Das sei ein „sehr ernstes“ Vergehen, sagt er ein ums andere Mal.

Seit Freitagabend folgt Teil zwei der Doppelstrategie von Rove: „low profile“. Bush ist fürs Wochenende nach Camp David geflogen, hat nur kurz gesagt, wie „traurig“ er über die Anklage sei. Und gemahnt, bis zu einem Urteil müsse Libby als unschuldig gelten. Politische Freunde werden vor die Kameras geschickt. Mit Nixons Watergate oder Clintons Lewinsky-Skandal sei „Leakgate“ nicht zu vergleichen. Damals seien Präsidenten angeklagt gewesen – hier nur ein Mitarbeiter.

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