zum Hauptinhalt
Update

Affäre um Bundespräsidenten: Wulffs Neujahrsempfang: Merkel kommt, Verbände bleiben fern

Bundespräsident Christian Wulff empfängt verdiente Bürger, gesellschaftliche Gruppen und das Bundeskabinett zum Neujahrsempfang. Aber einige Organisation bleiben aus Protest fern. Aus der CDU gibt es nun erste Rücktrittsforderungen.

Christian Wulff empfängt zur Stunde verdiente Bürger und Vertreter von gesellschaftlichen Gruppen zum traditionellen Neujahrstreffen. Auch das Bundeskabinett mit Kanzlerin Angela Merkel wird dabei sein. Allerdings haben einige Gruppe aus Protest ihr Kommen abgesagt. So ist der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) dem Neujahrsempfang demonstrativ ferngeblieben. Der Verband protestierte damit gegen die „Desinformationspolitik des deutschen Staatsoberhaupts“, hieß es in einer Mitteilung am Donnerstag. Der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken sagte, der Bundespräsident sei die Antworten auf die Fragen von Journalisten und Bürgern schuldig geblieben und habe es abgelehnt, sich den Medien etwa in einer Pressekonferenz zu stellen. Bei den Informationen über die Kredit- und Medienaffäre verstecke sich Wulffs Anwaltsbüro hinter der Verschwiegenheitspflicht. „So geht man als Präsident eines demokratischen Staates nicht mit den Medien um“, kritisierte Konken. Wulffs Verhältnis zu den Medien sowie zu den Journalisten sei so gestört, dass sich ein Übergang zur Tagesordnung verbiete. Konken betonte, der DJV nehme seit Jahrzehnten traditionell am Neujahrsempfang teil. Noch nie habe man diesen Termin abgesagt.

Auch die Antikorruptionsorganisation Transparency International hat ihre Kritik an Bundespräsident Christian Wulff bekräftigt und ihr Fernbleiben mit der Öffentlichkeitspolitik Wulffs begründet. „Im Moment hat man den Eindruck, dass er auf das Vergessen der Leute spekuliert“, sagte die Vorsitzende in Deutschland, Edda Müller, am Donnerstag im ZDF-„Morgenmagazin“ und fügte an: „Das ist für mich und unsere Organisation unerträglich“. Wulff solle jetzt die von ihm versprochenen Fakten veröffentlichen, forderte Müller. Eine Demutsgeste in der Öffentlichkeit zu signalisieren und dann zur Tagesordnung überzugehen, sei kein Verhalten, das der Würde des Amtes gemäß sei.

Unterdessen hält die Kritik an Bundespräsident Christian Wulff wegen eines Privatkredits und versuchter Einflussnahme auf die Presse an. Die Nichtveröffentlichung von Fragen und Antworten zu den Affären stößt auch in der Union zunehmend auf Unverständnis.

Als erster Unions-Politiker hat der Berliner CDU-Bundestagabgeordnete Karl-Georg Wellmann Wulff den Rücktritt von seinem Amt nahe gelegt. Wellmann sagte, das Amt sei bereits durch die öffentliche Diskussion beschädigt. „Mein persönlicher Rat an ihn wäre, dass er sich und seiner Familie das nicht länger antut“, erklärte er am Mittwochabend in der ZDF-Info-Sendung „login“.

Auch in der niedersächsischen CDU gibt es Unmut über die Nicht-Veröffentlichung der Antworten von Bundespräsident Christian Wulff in der Kredit- und Medienaffäre. "Wulff hat im Fernsehen vor 18 Millionen Bürgern zugesichert, dass die 450 Fragen beantwortet und offengelegt werden. Ich denke, darauf warten wir alle und das muss jetzt auch passieren", sagte der niedersächsische CDU-Landtags-Fraktionschef Björn Thümler der "Nordwest-Zeitung". Die Weigerung der Anwälte von Wulff, Informationen aus rechtlichen Gründen nicht zu veröffentlichen, "mag juristisch richtig sein, aber es ist politisch falsch", sagte Thümler. Er sieht die Affäre zunehmend als Belastung für die CDU.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe nahm Wulff jetzt gegen die Forderungen aus den eigenen Reihen nach besserer Aufklärung der Vorwürfe in Schutz. Dagegen appellierte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) an das Staatsoberhaupt, seine Anwälte von ihrer Verschwiegenheitspflicht zu befreien.

Gröhe sagte der „Rheinischen Post“: „Bundespräsident Christian Wulff hat im Internet für alle zugänglich, umfassend und detailreich über seinen Hauskredit sowie verschiedene Urlaubsaufenthalte informiert. Dies sollte man jetzt auch anerkennen.“ Zuvor hatte Unions-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier (CDU) die Anwälte Wulffs aufgefordert, sämtliche Antworten auf Fragen der Journalisten zur Kredit- und Medienaffäre im Internet zu veröffentlichen.

Thierse reagierte mit Unverständnis auf die Weigerung des Anwalts Wulffs, die Fragen und Antworten zu der Kredit- und Medienaffäre zu veröffentlichen. "Es wäre im Interesse des Bundespräsidenten, wenn er seiner Ankündigung von voller Transparenz auch entsprechende Taten folgen ließe und nicht die Einschränkung durch seine Anwälte hinnimmt", sagte der SPD-Politiker dem "Hamburger Abendblatt".

Der SPD-Rechtsexperte Sebastian Edathy kritisierte die Absage der Veröffentlichung ebenfalls scharf. „Diese Argumentation kann ich nicht nachvollziehen. Das ist an den Haaren herbeigezogen“, sagte Edathy der „Passauer Neuen Presse“. Wulffs Verhalten sei inzwischen bizarr. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Journalisten ein Problem mit der Veröffentlichung hätten.“ Außerdem stehe es dem Bundespräsidenten frei, die Antworten auch ohne die Fragen der Journalisten zu veröffentlichen, sagte Edathy.

Wer könnte Wulff nachfolgen? Ein Überblick in Bildern:

In einer Stellungnahme von Rechtsanwalt Gernot Lehr hatte es geheißen, eine Offenlegung der Anfragen von Journalisten würde deren Recht am eigenen Wort und an dem Schutz ihrer Rechercheergebnisse oder -ziele verletzen.

Der Schriftsteller Günter Wallraff hat die Rolle der „Bild“-Zeitung in der Wulff-Affäre scharf kritisiert. „Es ist nicht besonders seriös wenn 'Bild'-Chefredakteur Kai Diekmann über viele Jahre vertrauliche Gespräche mit einem Politiker pflegt und diesen dann plötzlich vorführt und öffentlich bloßstellt“, sagte Wallraff der „Frankfurter Rundschau“ (Donnerstagausgabe). „Man hat den Eindruck, 'Bild' will ihn vernichten.“ Man dürfe nicht vergessen, „dass Wulff von 'Bild' in einer ganz besonderen Weise aufgebaut, hofiert, gehätschelt wurde“, sagte Wallraff. Die Symbiose und „Hingabe Wulffs an die Boulevardpresse ist entwürdigend und verabscheuungswürdig“.

Der Präsident der Deutschen Arbeitgeberverbände, Dieter Hundt, fordert unterdessen ein Ende der Debatte um Wulff. Wulff habe viel zur Aufklärung beigetragen. „Eine Fortsetzung der Debatte schadet dem Ansehen unseres höchsten Staatsamtes “, sagte Hundt der „Passauer Neuen Presse“. Keiner der Vorwürfe wiege so schwer, dass Wulff zurücktreten müsse.

Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen die BW-Bank wegen der Kreditvergabe an Wulff wird immer wahrscheinlicher, berichtet die „Berliner Zeitung“ aus Justizkreisen. Nur so könne die Frage geklärt werden, ob Wulffs auffällig günstige Zinskonditionen von 0,9 bis 2,1 Prozent der Tochter der öffentlich-rechtlichen LBBW-Bank einen Schaden verursacht hätten. (dapd)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false