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Hamid Karsai

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Exklusiv

Politik: Afghanistan: „Wahlbetrug im großen Stil“

Bei der afghanischen Präsidentenwahl ist es nach Berichten internationaler Beobachter zu massiven Unregelmäßigkeiten gekommen. „Es gab Wahlbetrug im großen Stil“, sagte Dimitra Ioannou, stellvertretende Leiterin der EU-Wahlbeobachtermission in Afghanistan, dem Tagesspiegel.

Der Kommission für Wahlbeschwerden in Kabul liegen bereits mehr als 2100 Beanstandungen vor. Mindestens 652 dieser Beschwerden sind so gravierend, dass sie direkten Einfluss auf das Wahlergebnis haben könnten – weil sie möglicherweise zur Annullierung von Ergebnissen aus einzelnen Wahllokalen führen. Nach Auszählung von rund 74 Prozent aller Wahllokale liegt Amtsinhaber Hamid Karsai mit 48,6 Prozent deutlich vor seinem stärksten Herausforderer Abdullah Abdullah mit 31,7 Prozent und könnte damit die im ersten Wahlgang erforderliche absolute Mehrheit erreichen.

Bisher wurden von der unabhängigen Wahlkommission in Kabul die Ergebnisse aus 477 Wahllokalen für ungültig erklärt. Das reicht aus Sicht der EU-Beobachter allerdings noch lange nicht aus: „Wir haben herausgefunden, dass in das bisherige Ergebnis mehr als 400 Wahllokale mit verdächtigen Zahlen einbezogen wurden“, sagte Ioannou. Diese Ergebnisse hätten von Anfang an annulliert werden müssen.

Als Beispiel nannte sie ein Wahllokal, in dem „600 Stimmen für einen Kandidaten, keine für einen anderen und kein ungültiger Wahlzettel“ gemeldet worden seien. Die meisten dieser höchst zweifelhaften Ergebnisse kämen aus dem südlichen Teil des Landes. Einem Bericht der „New York Times“ zufolge gab es zudem mehr als 800 „fiktive Wahllokale“, die nur auf dem Papier existierten, aber aus denen hunderttausende Stimmen für Karsai gemeldet wurden.

Die EU-Beobachter empfehlen der Wahlkommission, die fragwürdigen Ergebnisse zu überprüfen und zu klären, wie sie überhaupt in das Gesamtergebnis gelangen konnten. Die von den Beobachtern beanstandeten Zahlen seien mittlerweile von der Webseite der Wahlkommission entfernt worden, kritisierte Ioannou. Generell bemängeln die Beobachter fehlende Transparenz und einen erschwerten Zugang zu Informationen. Ein vorläufiges amtliches Ergebnis wird bis Ende der Woche erwartet. Sollte die Wahlkommission nicht auf die Vorwürfe reagieren, kann dies für die Stabilität in Afghanistan schwer absehbare Folgen haben. Abdullah, der den „staatlich verordneten“ Betrug massiv kritisierte, sagte bereits, ein Scheitern der Wahl würde auch das Scheitern Afghanistans bedeuten, da das Regime dann nicht legitimiert sei. Der massive Wahlbetrug in Afghanistan könnte aber auch die EU und die USA vor diplomatische Probleme stellen: Die westlichen Regierungen müssten sich dann fragen lassen, ob sie weiter wie bisher mit Karsais Regierung zusammenarbeiten können, ohne ihre eigene Glaubwürdigkeit zu verlieren.

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