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Politik: amnesty international: Post vom Gewissen

Die Blumen aus England kamen nie in der Gefängniszelle an. Das erschien den Aufsehern zu gefährlich, mit dem Blumentopf könnte jemand verletzt werden.

Die Blumen aus England kamen nie in der Gefängniszelle an. Das erschien den Aufsehern zu gefährlich, mit dem Blumentopf könnte jemand verletzt werden. Dafür bekam die türkische Anwältin Eren Keskin im Gefängnis Post aus allen Teilen der Welt. Briefe, in denen Unbekannte ihr Mut zusprachen und in denen sie von Appellschreiben an die Regierung in Ankara erfuhr. "Die Unterstützung durch amnesty international während der Monate in Haft war sehr stark zu spüren", sagte Eren Keskin später.

Die Anwältin hatte 1995 die türkische Kurdenpolitik kritisiert und war wegen "separatistischer Propaganda" verurteilt worden. Amnesty-Mitglieder aus vielen Ländern protestierten gegen das Urteil. Wenig später kam Eren Keskin frei. Eine Geschichte, wie sie viele ehemalige politische Gefangene erzählen könnten, wenn amnesty an diesem Sonntag den 40. Geburtstag feiert.

In einem Artikel für den "Observer" berichtete der britische Anwalt Peter Benenson am 28. Mai 1961 über die "vergessenen Gefangenen" - jene Menschen, die allein wegen ihrer politischen Überzeugung oder ihres Glaubens inhaftiert wurden. Am Ende rief er seine Leser auf, sich ein Jahr lang an einem "Appell für Amnestie" zu beteiligen. Die Reaktion auf den in Zeitungen verschiedener Länder nachgedruckten Artikel war überwältigend. Innerhalb weniger Wochen meldeten sich mehr als tausend Menschen.

Im Juli gründete eine Gruppe um die Journalisten Carola Stern und Gerd Ruge die deutsche Sektion. Heute hat amnesty mehr als eine Million Mitglieder in über 140 Ländern - und ist damit die weltweit größte Menschenrechtsorganisation. Allein in Deutschland arbeiten mehr als 40 000 Menschen ehrenamtlich für amnesty. Anders als bei vielen anderen Nichtregierungsorganisationen steht und fällt die Arbeit von amnesty mit dem Engagement der Ehrenamtlichen. Auf der internationalen Bühne hat sich amnesty den Ruf eines kompetenten Partners in Menschenrechtsfragen erworben. 1977 wurde der Organisation der Friedensnobelpreis verliehen. Inzwischen setzen sich die Menschenrechtler für die Abschaffung der Todesstrafe und der Folter ein, unterstützen politische Flüchtlinge oder machen gezielt auf Menschenrechtsprobleme in bestimmten Ländern aufmerksam. Dennoch steht noch immer das Schicksal einzelner politisch Verfolgter im Mittelpunkt der Arbeit. Bei den "Eilaktionen" fordern Tausende weltweit per Brief, Fax oder E-Mail die Freilassung eines Gefangenen. Nach Angaben von amnesty hat etwa jeder dritte Appell Erfolg - und wenn es nur Hafterleichterungen sind.

Auch zugunsten von Eren Keskin hat amnesty im April erneut interveniert. Denn die Menschenrechtlerin, die sich seit Jahren für die Rechte der Frauen und der kurdischen Minderheit einsetzt, sieht sich derzeit in der Türkei Morddrohungen ausgesetzt. An diesem Sonntag erhält Keskin den ai-Menschenrechtspreis - ein Symbol, das beide zum Weitermachen ermutigt. "Das schönste Geschenk für amnesty wäre, wenn wir nicht mehr gebraucht würden", sagt ein langjähriges Mitglied.

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