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Anerkennung Palästinas : Deutsche Regierung bekräftigt Ablehnung – und ringt dennoch zunehmend mit ihrer Haltung
Union und SPD kritisieren Frankreich für die Ankündigung, Palästina als Staat anerkennen zu wollen. Und doch setzt Macron die Koalitionäre unter Druck. Stößt der Kanzler mit seinem Israelkurs an Grenzen?
Stand:
Frankreichs Präsident will Palästina als eigenen Staat anerkennen. Doch bei den deutschen Regierungsparteien stößt die Ankündigung aus Paris am Freitag unisono auf Ablehnung.
Die CSU sieht darin ein „völlig falsches Signal“. „Damit wird die Hamas für ihren Terror belohnt“, sagte der CSU-Generalsekretär Martin Huber dem Tagesspiegel. Der frankophile, frühere NRW-Ministerpräsident und Unionskanzlerkandidat Armin Laschet äußerte sich noch kritischer. „Die unabgestimmte Entscheidung Frankreichs schwächt Europa und ist ein herber Rückschlag für eine gemeinsame europäische Außenpolitik“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses dem Tagesspiegel. Europa werde mit solchen nationalen Alleingängen nicht ernst genommen.
Und selbst in der SPD hält man den Schritt für verfrüht. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Siemtje Möller sagte, er dürfe zwar „kein Tabu sein“. „Eine heutige Anerkennung würde allerdings an der schrecklichen Situation in Gaza zunächst nichts ändern.“ Stattdessen fordern die Sozialdemokraten zunächst den Aufbau staatlicher Strukturen sowie eine Reform der Palästinensischen Autonomiebehörde.
Man scheint sich also einig zu sein in Berlin. Und doch setzt Macron Union und SPD sowie den Bundeskanzler weiter unter Druck. Die Kritik innerhalb der Regierungsparteien an der israelischen Kriegsführung nimmt seit Tagen zu. Kippt die Stimmung in der Koalition und gerät Friedrich Merz mit seiner Israelpolitik an Grenzen?
Koalition will Palästina nicht anerkennen
Emmanuel Macron hatte am Donnerstagabend erklärt, sein Land werde Palästina im Rahmen der UN-Generalversammlung im September als eigenen Staat anerkennen. Am Mittwochabend war der Präsident der Fünften Französischen Republik zu Gast in Berlin.
Bei dem dreistündigen Arbeitstreffen in der Villa Borsig ging es auch um die Lage im Nahen Osten. Ob Macron Merz schon da über seine Palästina-Pläne informiert hat, wollte die Bundesregierung auf Tagesspiegel-Nachfrage am Freitag nicht bestätigen. Der Verdacht liegt allerdings nahe, da der Franzose damit nur 24 Stunden später an die Öffentlichkeit ging.
Offiziell will Berlin an seinem bisherigen Nahost-Kurs festhalten. „Die Bundesregierung plant kurzfristig nicht, einen palästinensischen Staat anzuerkennen“, teile Regierungssprecher Stefan Kornelius am Freitag mit. Zudem bestärkte er die bisherige Linie: Nur eine Zwei-Staaten-Lösung bringe dauerhaft Frieden und Sicherheit für Israelis und Palästinenser. Erneut forderte der Regierungssprecher einen Waffenstillstand sowie die israelische Regierung zur Verbesserung der humanitären Lage in Gaza und die Hamas zur Freilassung der verbliebenen Geiseln auf.

© dpa/Michael Kappeler
Schon zu Wochenbeginn hatte Macron die Bundespolitik aufgewühlt und damit die Koalition gespalten. Frankreich, Großbritannien und 26 weitere Staaten forderten ein sofortiges Ende des Gaza-Krieges.
Deutschland hat eine entsprechende Resolution nicht unterschrieben. Bundeskanzler Friedrich Merz sagte zwar, man teile die Positionen inhaltlich und die Koalition sei „vollkommen einig“. Seine Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD) sagte allerdings öffentlich, sie bedauere, dass sich Deutschland der Erklärung nicht angeschlossen habe. Zudem wächst im Haus von Außenminister Johann Wadephul (CDU) der Unmut. Einem „Spiegel“-Bericht zufolge fordert eine Gruppe von 130, vor allem jüngeren Diplomatinnen und Diplomaten einen härteren Kurs der Regierung gegenüber Israel.
Unmut wächst nicht nur in der SPD
Dazu fordert auch die SPD-Bundestagsfraktion ein Umdenken. In einem am Dienstag veröffentlichten Papier, machen sich der frühere Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich sowie der außenpolitische Sprecher der Fraktion, Adis Ahmetovic, ebenfalls für einen Kurswechsel in der deutschen Israelpolitik stark. Es sei an der Zeit, „dass sich die Bundesregierung den Initiativen auf europäischer Ebene anschließt“. Damit bezog man sich auf die Resolution von Frankreich und Co. Zudem fordern die Sozialdemokraten einen Stopp deutscher Waffenexporte an die israelische Regierung.
Gegen einen solchen Schritt sperrt man sich in der Union bisher. Doch selbst bei Merz persönlich ist eine Kursänderung zu beobachten. In seiner Regierungserklärung im Mai hatte der Kanzler Israel zwar seine uneingeschränkte Solidarität zugesagt. Gleichzeitig forderte er die dortige Regierung auf, die humanitäre Lage im Gazastreifen zu verbessern. Noch deutlicher wurde Merz Ende Mai auf der Republica in Berlin. Er verstehe „offen gestanden nicht mehr, mit welchem Ziel“ das Land vorgehe. Der Schaden für Zivilbevölkerung lasse sich nicht mehr mit der Bekämpfung der Hamas rechtfertigen.
Der Eindruck verstärkt sich, dass Union und SPD zunehmend mit ihrer Haltung gegenüber der Netanjahu-Regierung ringen. Wie sich das in konkrete Politik übersetzt, ist noch unklar. Allerdings behielt man sich am Freitag weitere Schritte vor. „Wenn Fortschritte ausbleiben“, sei die Bundesregierung bereit, „den Druck zu erhöhen“. Wie genau man reagieren würde, ließ der Regierungssprecher allerdings offen. Noch.
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