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Innenminister Thomas de Maizière zieht Bilanz des BKA-Gesetzes: eine Online-Durchsuchung, vier Überwachungen von Internet-Telefonie.

© dpa

Anti-Terrorkampf des BKA: Über und über überwacht

Als vor sieben Jahren das Bundeskriminalamt (BKA) zur Anti-Terror-Zentrale umgebaut wurde, sahen viele die Demokratie und Pressefreiheit gefährdet. Inzwischen steht fest: Die Erregung von damals war übertrieben. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Moooomentchen mal. Wir leben in gehetzten Zeiten. Um einen ruhigen Gedanken zu fassen, wurden deshalb modische Formate erfunden. „Downshifting“ heißt es im Arbeitsleben, „Slow Food“ beim Essen, „Good Governance“ beim Regieren, „Chillen“ beim Aufwachsen. Nur in einem Bereich verhallt die Botschaft der Entschleunigungsprediger ungehört, in der Justiz. Grund: Dort ging es schon immer langsam zu.

Als vor sieben Jahren das Bundeskriminalamt (BKA) zur Anti-Terror-Zentrale umgebaut wurde, waren sich viele Politiker und Kommentatoren einig, dass die neuen Befugnisse – Stichwort Staatstrojaner – Demokratie und freie Presse gefährden. Beschworen wurde ein Untergangsszenario, und das pünktlich zum 60. Geburtstag des Grundgesetzes.

Vergangene Woche stand Innenminister Thomas de Maizière vor dem Bundesverfassungsgericht und zog Bilanz. 1500 Hinweise habe das BKA seitdem gesammelt, in 15 Fällen eine Terrorgefahr gemäß seiner neuen Zuständigkeit diagnostiziert. Daraus folgten: Eine (!) Online-Durchsuchung und vier Überwachungen von Internet-Telefonie, fünf Fälle also, in denen fremde Computer mittels externer Software infiltriert werden mussten. Im Übrigen bezogen sich die Eingriffe auf Maßnahmen, die sich seit jeher im Polizeirecht finden, allen voran Observationen.

Ob damit auch nur ein Anschlag vereitelt wurde, ist unbekannt

Mit einer Statistik macht bekanntlich jeder, was er will. Für den Innenminister belegt sie, mit wie viel Augenmaß die Sicherheitsbehörden handeln. Eine andere Deutung ist: Das politisch umkämpfte Instrumentarium hat praktisch nur eingeschränkten Nutzen, ist womöglich überflüssig. Ob damit auch nur ein Anschlag vereitelt wurde, ist unbekannt.

Eines steht nach sieben Jahren fest: Die Erregung von damals hat das erneuerte BKA-Gesetz nicht verdient. Allein der Zeitablauf hat diese Einsicht ermöglicht. Es war klug von den Richtern, den Fall liegen zu lassen. So konnte auch ein Edward Snowden die Weltskandalbühne betreten, dessen mitgebrachte Dienstgeheimnisse enthüllten, dass auch die Überwacher bloß Überwachte sind.

Trotzdem ist zu erwarten, dass der Bundestag das Gesetz noch einmal überarbeiten darf. Zu unbestimmt erschienen dem Gericht die Tatbestände, nach denen die Anti-Terror-Polizisten ihre Spitzelmethoden einsetzen dürfen. Das Urteil wird eine Gratwanderung, denn auch dem BKA ist zuzugeben, dass es, wie de Maizière in Karlsruhe andeutete, nicht immer warten kann, bis es knallt.

Die Sicherheitsgesetze nach dem 11. September 2001 verdienen Kritik. Zugleich sind sie rechtsstaatlich eingehegt worden, nicht nur durch das Verfassungsgericht. Das BKA-Gesetz erweist den Grundrechten auch in der geltenden Form Respekt, wenngleich er noch größer werden darf. Alarm rufen aber nutzt sich ab, wenn es notorisch wird.

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