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Obamas Kairo-Rede: Applaus von Amerikas Konservativen

Selbst die US-Republikaner haben nicht gemeckert: US-Präsident Obama ist es in Kairo gelungen, scharf zwischen der islamischen Welt und dem Extremismus zu trennen.

Mit beiden Reaktionen auf Obamas Rede war zu rechnen: Die einen überschlagen sich vor Begeisterung und sprechen von einem "historischen Durchbruch". Die anderen wiegen bedenkenschwer ihr Haupt und fragen: "Was ist an diesen schönen Worten an die Muslime wirklich neu? Where is the beef? Was bietet der neue Herr im Weißen Haus der islamischen Welt konkret an?"

Es lohnt sich, einen Blick auf das Land zu werfen, aus dem der Präsident stammt und das ihn gewählt hat – vor allem einen Blick auf die Gefühlswelt dort. Kaum eine andere Rede war so heikel wie diese, selten wanderte Obama auf so schmalem Grat.

Es stimmt, die Amerikaner wollen mehrheitlich Frieden im Nahen Osten und mit Obama einen Neuanfang wagen. Wie ihr Präsident finden sie auch mehrheitlich, dass der Irakkrieg, Folter, Abu Ghraib und Guantánamo schwere Fehler waren. Aber sie haben die Attentate vom 11. September 2001 nicht vergessen, sie fürchten sich vor weiteren Anschlägen und wollen sich die Terroristen so weit wie möglich vom Leib halten. Prozesse und Inhaftierung von Al-Qaida-Mitgliedern auf amerikanischem Boden sind äußert unpopulär.

Es stimmt auch, dass eine wachsende Zahl von Amerikanern die Geduld mit dem dauernden Hin und Her zwischen Israelis und Palästinensern verliert. Jerusalems Besatzungspolitik stößt auf immer größeren Widerstand. Trotzdem ist Israel immer noch einer der wichtigsten Verbündeten, und viele empfinden, dass ein Angriff auf diesen jungen Staat zugleich ein Angriff auf Amerika sei. Israel und Amerika stehen sich politisch, kulturell, historisch und religiös nah.

Es ist ebenso richtig, dass sich die Amerikaner nach den verheerenden acht Jahren unter George W. Bush mehrheitlich nach einem neuen, freundlicheren Verhältnis mit der islamischen Welt sehnen. Trotzdem begegnen die meisten dieser Welt immer noch voller Argwohn und Skepsis. Überdies wollen sie sich nicht dauernd für die vergangenen Fehler entschuldigen und im Büßerhemd herumlaufen. Etliche meinen, dass ihr neuer Präsident schon viel zu viele Verbeugungen gemacht habe.

Gerade vor diesem Hintergrund war die Rede in Kairo besonders spannungsgeladen. Man darf sich keinen Illusionen hingeben: Obama kann und will sich nicht weiter vorwagen, als ihn die Amerikaner tragen und stützen. Alles andere wäre auch töricht. Denn verliert er den Rückhalt im eigenen Land, haben alle verloren – auch die Muslime und die ganze Welt.

Es war schon erstaunlich, dass es den stärksten Kritikern des Präsidenten nach seiner Rede erst einmal die Sprache verschlug. Der konservative Fernsehsender Fox war dafür das beste Beispiel. Erst stammelte er, und nachdem er die Stimme endlich wiedergefunden hatte, zollte er Obama sogar Respekt. "Erstaunlich klar" sei der Präsident gewesen, sagte Ed Rollins, Berater republikanischer Präsidentschaftskandidaten. Bushs ehemalige Pressesprecherin Dana Perino sprach sogar von einer "ziemlich guten Rede". Erst viele Sätze später beklagte sie ein paar Lücken. Zu wenig spezifisch sei Obama gewesen, keinen neuen Friedensplan habe er vorgelegt, keine große Nahost-Strategie.

Wieder und wieder wurden Obamas Kairoer Worte auf fast allen Fernsehkanälen ausgestrahlt und stundenlang hin und her gewälzt. Je länger und genauer man sie unter die Lupe nahm, desto positiver fiel das Urteil daheim aus: Der Präsident zeigte Demut, ohne zu Kreuze zu kriechen. Er war klar und weitsichtig, ohne unhaltbare Versprechen zu machen. Er sprach nach allen Seiten hin unbequeme Wahrheiten aus, die bislang noch kein amerikanisches Staatsoberhaupt auszusprechen gewagt hatte – schon gar nicht auf einer solchen Bühne.

Unmissverständlich bekannte er sich zum Bündnis mit Israel, aber ebenso deutlich forderte er den sofortigen Siedlungsstopp. Mancher mag beklagen, dass Obama dabei nicht weit genug ging und es versäumte, den Abriss bereits bestehender Siedlungen zu verlangen. Aber diese Wohnblocks um Jerusalem herum und im Westjordanland sollen irgendwann Teil eines Friedensvertrags und, wenn möglich, auch Teil eines Gebietsaustauschs zwischen Israelis und Palästinensern werden.

Manche sagen, Obama hätte weit stärker auf die palästinensische Hamas zugehen und sie ins politische Spiel mit einbeziehen sollen. Doch solange Hamas der Vernichtung Israels nicht abschwört, wäre ein solcher Schritt falsch und verfrüht – zumal offiziell verkündet in Kairo, in einer Rede an alle Muslime. Zudem: In Amerika wären nach einer solchen Erklärung die Fetzen geflogen. Doch hinter den Kulissen werden bereits einige Fühler ausgestreckt, und in Kairo hat Obama signalisiert: Wenn Ihr Euch mäßigt und Israel akzeptiert, dann dürft ihr mit an den Verhandlungstisch. Er wisse, sagte Obama, "Hamas genieße Unterstützung unter einigen Palästinensern."

In den Stunden nach der Rede meldeten sich sofort Dutzende amerikanische Frauenverbände zu Wort, rechte und linke, christliche, muslimische, jüdische und säkulare. Übereinstimmend lobten sie Obamas Äußerungen zum Recht der Frauen, ihr Leben und ihr Schicksal selbstständig in die Hand zu nehmen und zu bestimmen. So deutlich hatte sich bislang noch kein amerikanischer Präsident auf der islamischen Bühne auf ihre Seite gestellt. Ebenso euphorisch äußerten sich iranische Exilorganisationen über die klaren Worte gegenüber dem rücksichtslosen Staatschef in Teheran.

Als Amerikas Kommentatoren am Donnerstagabend jeden Satz hin und her gewendet hatten und langsam ermüdeten, zeichnete sich ein erstaunlicher Konsens ab: Dem Präsidenten sei es mit seiner Rede gelungen, eine scharfe und für alle nachvollziehbare Trennlinie zwischen islamistischen Extremisten und dem riesigen Rest der islamischen Welt zu ziehen. Barack Hussein Obama, der schwarze Präsident mit dem komischen Namen, ist damit spätestens jetzt Feind Nummer Eins für Osama bin Laden.

ZEIT ONLINE

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