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Arbeitslosengeld: Becks Krafttraining

Der SPD-Chef Kurt Beck beharrt auf längeren Arbeitslosengeldbezüge – wie er mit Vizekanzler Müntefering zu einem Formelkompromiss finden kann, bleibt offen.

Der Streit in der SPD-Führung über längere Arbeitslosengeldzahlungen dauert an. Während Vizekanzler Franz Müntefering das Vorhaben erneut ablehnte, bekräftigte SPD-Chef Kurt Beck seinen Vorschlag und kündigte an, ihn auf dem SPD-Bundesparteitag Ende Oktober im Hamburg zur Abstimmung zu stellen. In Parteikreisen hieß es, Beck habe die Auseinandersetzung mit dem Vizekanzler in dieser Frage gesucht, um zu demonstrieren, dass er es sei, der in der SPD die Richtung vorgebe.

Becks Vorgehen auf der SPD-Präsidiumssitzung am vergangenen Montag habe deutlich gemacht, dass der Vorsitzende die Kraftprobe mit voller Absicht eingegangen sei. Es sei Beck erkennbar darum gegangen, seinen Führungsanspruch zu untermauern und Müntefering in die Schranken zu weisen. So habe Beck die längere Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I schneller als erwartet zum Thema gemacht und Müntefering damit überrascht, hieß es. In der Sitzung selbst sei Beck trotz wiederholter Einwände Münteferings hart geblieben – wohl wissend, dass ihm auf dem Parteitag eine klare Mehrheit für längere Arbeitslosengeldzahlungen sicher sei. Teilnehmer sprachen nach der Sitzung von einer „Zäsur“.

Ein Parteichef, der auf dem Parteitag beschließen lassen will, was der Vizekanzler und Arbeitsminister erklärtermaßen für falsch hält – viele in der SPD können sich nicht vorstellen, dass Beck und Müntefering es in Hamburg tatsächlich zu einem Showdown kommen lassen wollen. In der Partei hoffen viele deshalb darauf, dass die beiden Spitzenpolitiker vor dem Delegiertentreffen wenigstens zu einem Formelkompromiss finden.

Am Dienstag sah es zunächst nicht danach aus. Im ZDF plädierte Beck für das Modell des DGB, wonach über 45-Jährige das Arbeitslosengeld I künftig 15 Monate, über 50-Jährige bis zu 24 Monate erhalten sollen. Die rot-grüne Vorgängerregierung unter ihrem Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes von maximal 32 auf zwölf Monate gekürzt. Über 55-Jährige erhalten die Versicherungsleistung höchstens 18 Monate lang. Gleichwohl widersprach Beck dem Eindruck, sein Vorschlag markiere eine Abkehr der SPD von Schröders Reformagenda 2010. „Das Steuer wird nicht herumgerissen“, versicherte er. Der Grundsatz „Fordern und Fördern“ werde nicht aufgegeben. Auch gebe es keinen „prinzipiellen Streit“ mit Vizekanzler Müntefering. Es gehe stattdessen um eine „Sachentscheidung, die im Moment unterschiedlich bewertet“ werde.

Tatsächlich hielt auch Müntefering am Dienstag in der ARD an seiner Bewertung fest und erteilte Becks Plänen erneut eine Absage. Eine Gerechtigkeitslücke beim Arbeitslosengeld I für ältere Arbeitslose gebe es nicht: „Meine Meinung ist, dass ein Familienvater oder eine Mutter mit aufwachsenden Kindern es nicht schlechter haben sollte als derjenige, der 60 ist und die Kinder groß hat.“ Zugleich erklärte aber auch Müntefering, es gehe nicht um eine „prinzipielle Frage“.

Zeichen der Annäherung oder schwelender Machtkampf? Am Mittwoch trafen sich Beck und Müntefering am Rande der Einheitsfeiern in Schwerin zu einem Krisengespräch in einem Nebenraum des Staatstheaters. Das Treffen dauerte knapp eine Stunde, danach zeigten sich beide gut gelaunt. Ob es um den Streit um das Arbeitslosengeld I gegangen sei, wollten sie nicht sagen. Beck versicherte aber: „Wir haben immer gemeinsame Strategien.“

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