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Seit mehr als einem Jahr herrscht Krieg in Syrien. Mehr als 10 000 Menschen sollen in dieser Zeit schon getötet worden sein, schätzen die Vereinten Nationen.

© dapd

Syrien: Assad lässt weiter morden – und die Welt ist hilflos

Syriens Armee hindert UN-Beobachter daran, ein neues Massaker zu untersuchen. In Istanbul gibt es Zweifel an der Umsetzbarkeit eines amerikanischen Plans, den syrischen Präsidenten ins Exil zu drängen.

Nach dem neuerlichen Massaker an Zivilisten in Syrien und dem Beschuss von UN-Beobachtern wollen die USA und ihre Partner in Europa und dem arabischen Raum den syrischen Präsidenten Baschar al Assad ins Exil schicken. Es sei Zeit „für einen neuen Plan” für ein Syrien ohne Assad, sagte US-Außenministerin Hillary Clinton nach einem Treffen von Spitzenpolitikern aus 17 westlichen und arabischen Staaten in Istanbul. „Assad muss seine Macht abgeben und Syrien verlassen“, sagte Clinton. UN-Vermittler Kofi Annan gab zu, dass sein Friedensplan nicht umgesetzt wird. Ebenso wie UN-Generalsekretär Ban Ki Moon warnte Annan bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats am Donnerstagabend vor einem offenen Bürgerkrieg in Syrien. Die Türkei schloss eine Militärintervention nicht aus.

Geprägt wurden die Gespräche in Istanbul und am Sitz der Vereinten Nationen in New York von Berichten über ein neues Massaker westlich der syrischen Stadt Hama. Dort töteten Soldaten und Mitglieder einer regimetreuen Miliz nach Oppositionsangaben rund 80 Menschen in dem Dorf Kubair, darunter viele Frauen und Kinder. Den Angaben zufolge wurde das Dorf zunächst mit schweren Waffen bombardiert, bevor Todesschwadronen der so genannten Schabiha-Miliz in die Ortschaft eindrangen und die Dorfbewohner massakrierten. Die syrische Regierung gab „Terroristen“ die Schuld.

UN-Beobachter, die den Tatort besuchen wollten, wurden zunächst von syrischen Regierungstruppen aufgehalten und dann beschossen, sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in New York. Ein Regime, das ein Massaker wie in Kubeir zulasse, habe seine „fundamentale Menschlichkeit“ verloren. Annan forderte, die internationale Gemeinschaft müsse den Konfliktparteien in Syrien klarmachen, dass Verstöße gegen den Friedensplan „Konsequenzen“ hätten. Annan wollte am Donnerstagabend dem UN-Sicherheitsrat Bericht erstatten und dabei nach Presseberichten eine neue Syrien-Kontaktgruppe aus Gegnern und Partnern des Assad-Regimes vorschlagen.

Der Kampf gegen das brutale Regime in Syrien in Bildern:

Bei dem Treffen in Istanbul stießen solche Überlegungen auf Skepsis. Clinton sagte, die anhaltende Gewalt in Syrien sei „widerlich“. Es gebe keine Zukunft mit Assad an der Spitze Syriens. Der kürzliche Rücktritt des jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah Saleh und dessen Zustimmung, Jemen zu verlassen, könne als Vorbild für Syrien dienen, sagte sie. Allerdings äußerte einige in Istanbul Zweifel an der Umsetzbarkeit des von Clinton vorgestellten Plans. Wenn Assad ins Exil gehe, sei das gut, sagte ein Teilnehmer. Allerdings sei derzeit unklar, „ob die Syrer damit leben können“. An dem Treffen am Mittwochabend hatten unter anderem der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu und Außenminister Guido Westerwelle teilgenommen – aber kein Vertreter des Schlüsselakteurs Russland.

Kofi Annan ist mit seinem Sechs-Punkte-Plan gescheitert. Nun will er einen neuen Plan für ein Ende der Gewalt in Syrien erarbeiten.

© AFP

Clinton sagte, eine Zusammenarbeit mit Russland sei möglich, solange der Rücktritt Assads als Ausgangspunkt akzeptiert werde. In Istanbul wurden deshalb Äußerungen aus der russischen Regierung zu einem möglichen Machtverzicht von Assad aufmerksam registriert. Vize-Außenminister Gennadi Gatilow sagte, Russland habe nie auf einem Verbleib des syrischen Präsidenten im Amt bestanden. Das Einzige, wovor der syrische Präsident wirklich Angst habe, sei, dass er die Unterstützung Russlands verliere, sagte ein Spitzendiplomat.

Auch Westerwelle betonte die Schlüsselrolle Russlands in dem Konflikt, der seit dem Frühjahr des vergangenen Jahres mehr als zehntausend Menschen das Leben gekostet hat. Die Assad-Gegner in der internationalen Gemeinschaft müssen laut Westerwelle „weiter das Gespräch mit Russland suchen“. Der Minister bekräftigte zudem seine Warnung vor einem Übergreifen des Syrien-Konflikts auf den Libanon. „Die Gefahr, dass auch die Nachbarstaaten angesteckt werden, ist groß“, sagte Westerwelle vor seiner Weiterreise aus Istanbul nach Beirut.

Mit seiner Forderung, Russland ins Boot zu holen, stieß Westerwelle beim Syrien-Treffen auf grundsätzliche Zustimmung. Clinton schickte ihren Syrien-Beauftragten Fred Hoff zu Gesprächen nach Moskau. Allerdings äußerten einige Teilnehmer heftige Kritik an Russland. Nicht das ferne Russland, sondern die Nachbarn Syriens seien die Betroffenen und müssten in Zukunft mit Damaskus zusammenleben, sagte ein Diplomat aus einem wichtigen Land der Region. Davutoglu betonte, die Türkei sei entschlossen, in Syrien „bis zum Ende“ auf Diplomatie zu setzen. Allerdings gebe es für Ankara noch wichtigere Dinge: die Sicherheit der syrischen Bevölkerung und die nationale Sicherheit der Türkei. Deshalb müssten „alle Alternativen“ erwogen werden. Die Türkei behält sich die Einrichtung einer militärisch gesicherten Pufferzone auf syrischem Gebiet vor, falls sich eine massive Flüchtlingswelle abzeichnen sollte.

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