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„Asylgesetz bietet die Grundlagen dafür“: Dobrindt hält Zurückweisungen von Asylbewerbern für rechtlich möglich
Die neue Regierung setzt auf mehr Grenzkontrollen, um illegale Einreisen zu verhindern. Aus Nachbarländern gibt es Kritik. Der Innenminister verteidigt den Kurs – die Maßnahmen seien abgesprochen.
Stand:
Die neue Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) hat sofort nach ihrer Amtsübernahme neue Maßnahmen in der Migrationspolitik angekündigt und zum Teil durch verstärkte Grenzkontrollen schon umgesetzt. Unter anderem geht es um Zurückweisungen an den deutschen Grenzen. Die Maßnahmen stießen in Nachbarländern wie Polen oder der Schweiz bereits auf Kritik.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hat nun die umstrittenen Zurückweisungen von Asylbewerbern an den Grenzen als rechtlich möglich verteidigt. „Unser Asylgesetz bietet die Grundlagen dafür“, sagte der CSU-Politiker am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung „maybrit illner“. Verträge mit den Nachbarstaaten ließen dies auch zu. „Das eingebettet mit den europäischen Ausnahmeregeln gibt dann am Schluss eine Möglichkeit, dass man das auch schaffen kann.“
Der Bundeskanzler setzt keinen nationalen Notstand in Kraft.
Stefan Kornelius, Regierungssprecher
In diesem Zusammenhang erwähnte er auch den „Notlagen“-Artikel 72 der EU, der bei Gefahr für die innere Sicherheit und Ordnung den Staaten Sonderrechte gibt. „Der Bundeskanzler setzt keinen nationalen Notstand in Kraft“, sagte allerdings Regierungssprecher Stefan Kornelius der Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag. Zuvor hatte die Zeitung „Welt“ berichtet, Merz wolle diese Sonderklausel in Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU aktivieren.
Dobrindt erklärte nun, das deutsche Asylgesetz sei die Rechtsgrundlage des Regierungshandelns, „natürlich“ sei aber „alles europäisch eingebunden“. Deutschland sei mit den entsprechenden Zuständigen in der EU „im engstem Austausch“ und werde mit den Zurückweisungen so vorgehen, dass die Nachbarländer nicht überfordert würden.
Am Mittwoch hatte Dobrindt zum einen die Verstärkung der Kontrollen an den deutschen Grenzen angekündigt. Zum anderen nahm er eine Weisung aus dem Jahr 2015 an die Bundespolizei zurück, die besagte, dass Asylsuchende nicht zurückgewiesen werden dürften.
„Wir müssen es tun können“, sagte Dobrindt und betonte, die Bundespolizei habe so die Möglichkeit dazu, sei aber nicht verpflichtet. Bestimmte Gruppen wie Kranke, Schwangere oder Kinder beträfe es aber nicht. Es gehe darum, die illegale Migration Schritt für Schritt zurückzudrängen.
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Polizei sieht Rechtssicherheit hergestellt
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) sieht nun Rechtsklarheit hergestellt. „Durch die Rücknahme der mündlichen Weisung aus dem Jahr 2015 kann und wird die Bundespolizei konsequenter an den Grenzen zurückweisen können“, sagte Heiko Teggatz, Vorsitzender der DPolG Bundespolizeigewerkschaft, am Donnerstag der „Welt“.
Ob eine Zurückweisung von Asylsuchenden nach EU-Recht möglich ist, gilt als zweifelhaft, wie auch die Agentur Reuters schreibt. Dobrindt berief sich zunächst auf Paragraf 18 des deutschen Asylrechts, wonach Einreisen verweigert werden können, wenn die Menschen aus einem sicheren Drittstaat kommen. Dies ist an deutschen Grenzen praktisch immer der Fall, da alle Nachbarstaaten als sicher gelten.
Europäische Regeln sehen aber vor, dass zunächst geklärt werden muss, welcher Staat für das Asylgesuch des Migranten zuständig ist. Faktisch kamen so die meisten doch nach Deutschland und bleiben aufgrund komplizierter Verfahren häufig in der Bundesrepublik. Um dies zu ändern, müsste es Vereinbarungen mit Nachbarstaaten geben.

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Darüber hinaus könnte der „Notlagen“-Artikel eine Lösung sein, wobei dessen Anwendung ebenfalls mit hohen Hürden verbunden ist. Dobrindt sagte, dass Österreich in der Frage des Familiennachzugs von Flüchtlingen sich auf den entsprechenden Artikel berufen habe.
Der Innenminister gab zu, dass das Problem der Migration für Deutschland nun nicht gelöst sei: „Ich habe nicht gesagt, dass sich mit dieser Maßnahme im Hauruck-Verfahren alles ändert“, sagte er. „Nein, das wird es nicht. Es ist ein Element dafür, die illegale Migration zurückzudrängen.“
EU-Kommission appelliert an Merz-Regierung
Die EU-Kommission appellierte an die Bundesregierung, Grenzkontrollen eng mit ihren Nachbarn abzustimmen. Solche Maßnahmen erforderten enge Koordinierung „insbesondere mit allen betroffenen Mitgliedstaaten“, sagte ein Sprecher der EU-Kommission der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel.
Man stehe mit den Behörden in Deutschland und dessen Nachbarstaaten in Kontakt, „um die notwendigen Informationen über diese Maßnahmen und ihre Umsetzung in der Praxis zu erhalten“, hieß es weiter. Grundsätzlich sei die Wiedereinführung vorübergehender Kontrollen an den Binnengrenzen möglich, aber nur unter bestimmten Bedingungen.
Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) hatte am Donnerstag Befürchtungen zurückgewiesen, dass die verschärften deutschen Grenzkontrollen nun zum Dauerzustand werden. Man ergreife jetzt Maßnahmen, weil es bislang nicht gelinge, die EU-Außengrenzen wirksam zu schützten, sagte Frei der dpa zufolge auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee.
„Aber wir sind uns im Klaren darüber, dass es kein dauerhaftes Ziel sein kann, dass wir wieder Binnengrenzkontrollen in Europa haben. Das widerspricht auch unseren Vorstellungen von Schengen, einem grenzenlosen Europa und vielem anderen mehr“, betonte Frei.
Zudem sagte der Kanzleramtschef, die Verschärfung der Grenzkontrollen sei mit den europäischen Nachbarstaaten abgesprochen. Dobrindt sei im Gespräch mit den Nachbarn gewesen, nicht nur auf der Botschafter-Ebene im Ministerium. „Und deswegen ist auch die Voraussetzung erfüllt, nämlich dass wir in Absprache mit unseren Nachbarländern diese Maßnahmen ergreifen.“
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