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Atom-Streit: Pariser Verbalattacke

Frankreichs Außenminister warnt Iran vor einem Krieg – Teheran wirft Präsident Sarkozy „Extremismus“ vor.

In der Auseinandersetzung um das iranische Atomprogramm schlägt Frankreich ungewöhnlich scharfe Töne an. Die Welt müsse sich „auf das Schlimmste“ vorbereiten, sagte Außenminister Bernard Kouchner. Damit meine er „Krieg“, sagte der Chef der französischen Diplomatie. Er griff damit eine Drohung von Präsident Nicolas Sarkozy auf, der vor drei Wochen in einer außenpolitischen Grundsatzrede erklärt hatte, er hoffe, dass die Welt nicht vor die Alternative zwischen einer iranischen Bombe und Bomben auf Iran gestellt werde. Nach den Worten des französischen Chefdiplomaten gibt es derzeit zwar keine Pläne für einen Angriff auf den Iran. Aber es sei „normal“, dass man Pläne mache. Zur Vorbereitung auf einen Krieg gehöre auch, dass man sage: Wir akzeptieren nicht, dass Teheran die Bombe baut.

Kouchners Warnungen wurden von der Bundesregierung heruntergespielt. „Es wäre völlig falsch, von Kriegsdrohungen zu sprechen“, sagte ein Sprecher des Außenministeriums am Montag in Berlin. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, Deutschland bemühe sich „mit Nachdruck“ um eine Verhandlungslösung. „Alle anderen Optionen stehen für uns derzeit nicht zur Diskussion.“ Auch Paris will, wie Kouchner sagte, weiter mit dem Iran verhandeln.

Teheran warf der Regierung in Paris derweil vor, neue Spannungen heraufzubeschwören. Der „Extremismus“, den die neue französische Führung an den Tag lege, sei ein „Hindernis“ auf dem Weg einer Lösung des Atomstreits. Sarkozy versuche, „das Weiße Haus zu kopieren“, schrieb die amtliche iranische Nachrichtenagentur Irna. Tatsächlich hat Nicolas Sarkozy begonnen, in der Außenpolitik mehr auf die USA zuzugehen.

Kouchner bestätigte bei seinem Fernsehauftritt auch die neuen Pariser Überlegungen zum EU-Beitritt der Türkei. Nachdem Präsident Sarkozy in seiner außenpolitischen Grundsatzrede seinen Widerstand gegen die Eröffnung neuer Kapitel in den Verhandlungen zwischen Brüssel und Ankara gelockert hatte, sprach sich der Europa-Staatssekretär im Außenministerium, Jean-Pierre Jouyet, dafür aus, den Artikel der französischen Verfassung zu streichen, der den Franzosen eine Art Damoklesschwert gegen die Türkei-Mitgliedschaft in die Hand gibt. Dieser Artikel war Anfang 2005 auf Initiative des damaligen Präsidenten Jacques Chirac in die Verfassung aufgenommen worden, um die Fortsetzung der Verhandlungen mit Ankara zu ermöglichen. Gleichzeitig sollten mit dem Passus die Franzosen beruhigt werden, die laut Umfragen gegen eine EU-Vollmitgliedschaft der Türkei eingestellt sind. Nach dem neuen Artikel muss ab 2009 jede neue EU-Mitgliedschaft dem französischen Volk zur Abstimmung vorgelegt werden. Jouyet sagte nun, dass sich Frankreich damit möglicherweise in Schwierigkeiten gegenüber Ländern wie Mazedonien bringe, die einen Anspruch auf eine EU-Mitgliedschaft hätten.

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