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Aufgebracht: Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif kritisiert die europäischen Partner im Atomabkommen scharf.

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Update

Atomdeal vor dem Scheitern: Iran nennt Schlichtung „strategischen Fehler“

Die EU will das Atomabkommen mit dem Iran retten – gegen die USA. Die Iraner reagieren ablehnend. 

Von Hans Monath

Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif hat die europäischen Partner im Atomabkommen scharf kritisiert. Bei einem Treffen in Neu-Dehli mit dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Niels Annen, habe Sarif die Aktivierung des im Abkommen vorgesehenen Mechanismus zur Streitschlichtung durch Deutschland, Frankreich und Großbritannien als einen „strategischen Fehler“ bezeichnet, meldete die staatliche iranische Nachrichtenagentur IRNA. Die Europäer sollten lieber Ihren Verpflichtungen aus dem Wiener Atomabkommen nachkommen, statt Strafaktionen zu unternehmen, habe Sarif bei dem Treffen hinzugefügt.

Wegen der jüngsten Verstöße des Iran gegen das Atomabkommen haben Deutschland, Frankreich und Großbritannien den in der Vereinbarung enthaltenen Streitschlichtungsmechanismus gestartet. Die Entscheidung zielt nach Angaben von Außenminister Heiko Maas (SPD) darauf ab, das Abkommen zu retten, indem darüber beraten werde, was der Iran mit Blick auf eine Rückkehr zu der Vereinbarung tun sollte.

Eine Wiedereinsetzung der UN-Sanktionen gegen die Islamische Republik werde von den Europäern dagegen nicht angestrebt. Der Streitschlichtungsprozess kann, muss aber nicht in eine Wiedereinsetzung der Strafmaßnahmen gegen den Iran münden. Entscheidend ist der politische Wille der Vertragspartner. Eine Stellungnahme des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell wird am Mittag erwartet.

„Die zunehmenden iranischen Verletzungen des Nuklearabkommens konnten wir nicht länger unbeantwortet lassen", sagte Maas. Deshalb habe sich die Bundesregierung nach intensiven Beratungen gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien dazu entschieden, den in der Vereinbarung vorgesehenen Streitschlichtungsmechanismus auszulösen.

Weiter sagte der Außenminister: "Unser Ziel ist klar: Wir wollen das Abkommen bewahren und zu einer diplomatischen Lösung innerhalb der Vereinbarung kommen." Dies werde er gemeinsam mit allen Partnern des Abkommens angehen. Die drei Regierungen forderten Iran auf, "sich konstruktiv an dem nun beginnenden Verhandlungsprozess zu beteiligen".

Der britische Premierminister Boris Johnson zeigte sich offen für ein neues Atomabkommen mit dem Iran nach den Vorstellungen von US-Präsident Donald Trump. "Wenn wir es abschaffen, dann lasst es uns ersetzen, und lasst es uns ersetzen mit dem Trump-Deal", sagte Johnson der BBC. "Das wäre ein guter Weg nach vorne." Er wolle keinen militärischen Konflikt zwischen Großbritannien, den USA und dem Iran. "Lasst uns die Sache herunterschrauben."

Trump hatte den Ausstieg aus dem Atomabkommen unter anderem damit begründet, dass es weder das Raketenprogramm des Iran noch dessen Verbindungen zu Extremistenorganisationen im Nahen Osten begrenze. Der US-Präsident will den Iran mit einer Politik des "maximalen Drucks" zu Verhandlungen über eine solch umfassende Vereinbarung zwingen.

Ein für die Wirtschaft des Iran profitables Atomabkommen

Die Europäer stehen dagegen auf dem Standpunkt, dass die Führung in Teheran sich eher auf der Basis eines für die Wirtschaft des Iran profitablen Atomabkommens zu weitergehenden Verhandlungen bewegen ließe. Die US-Sanktionen, die sich unter anderem gegen den für den Iran lebenswichtigen Erdölexport richten, haben den Aufschwung durch das Atomabkommen von 2015 jedoch zunichtegemacht und strangulieren die Wirtschaft des Landes.

Das Atomabkommen steht auf der Kippe, seit die USA 2018 einseitig ihren Ausstieg daraus verkündet und später harte Strafmaßnahmen gegen den Iran verhängt hatten. Als Reaktion darauf hält der Iran seit Juli immer mehr Verpflichtungen aus der Vereinbarung nicht mehr ein. Zuletzt kündigte die Führung in Teheran an, künftig auch die Auflagen zu Menge und Höhe der Uran-Anreicherung nicht mehr zu beachten.

Die Kommission hat dann 15 Tage Zeit

Der Iran befolgt allerdings weiter die Auflage, der internationalen Gemeinschaft Einblick in sein Atomprogramm zu geben. Damit herrscht noch immer weitgehend Transparenz darüber, wie stark das Land mit seinem Atomprogramm voranschreitet. Der Streitschlichtungsmechanismus ist die einzige Eskalationsstufe, die das Atomabkommen vor einer Aufkündigung oder einer Wiedereinsetzung der UN-Sanktionen enthält.

Nach dem Atomabkommen kann jeder Vertragspartner die sogenannte Gemeinsame Kommission anrufen, wenn er glaubt, dass ein anderer Partner gegen die Vereinbarung verstößt. Die Kommission hat dann 15 Tage Zeit, um den Streit zu schlichten. Sie kann diese Frist aber auch ausdehnen, wenn alle Beteiligten dem zustimmen. Wird sie nicht verlängert, eskaliert der Fall, was am Ende zur Wiedereinsetzung der UN-Sanktionen gegen den Iran führen kann - falls der UN-Sicherheitsrat nicht dagegen entscheidet. In europäischen Diplomatenkreisen war in den vergangenen Wochen indes mehrfach darauf verwiesen worden, dass der Start des Mechanismus keinen Automatismus zurück zur Wiedereinsetzung der UN-Sanktionen bedeutet. (mit Reuters)

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