zum Hauptinhalt
In den letzten acht Tagen verlor der einheimische Rial fast 40 Prozent an Wert.

© dpa

Atomstreit: Sanktionen und Währungsverfall lösen Unruhen im Iran aus

Der Iran ist bereit zum Teil auf Urananreicherung zu verzichten. Die internationalen Sanktionen scheinen mehr denn je zu wirken. Die Kosten trägt die iranische Bevölkerung.

Die Menge bewarf die Polizei mit Steinen und zündete Müllcontainer an. Die Ordnungskräfte antworteten mit Tränengas und nahmen Dutzende fest. Am Mittwoch kam es im Zentrum von Teheran zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder zu schweren Ausschreitungen. Stundenlang lieferten sich Devisenhändler und Demonstranten Schlachten mit der Polizei. Aus mehreren Straßen stieg Rauch auf, die von den Einsatzkräften sofort abgesperrt wurden. Der Große Basar der iranischen Hauptstadt blieb den ganzen Tag „aus Sicherheitsgründen“ geschlossen. „Wir machen zu, weil wir nicht wissen, was noch passieren kann“, erklärte einer der Geschäftsleute. Die Revolutionären Garden und Basij-Milizen, die dem Obersten Religionsführer Ajatollah Ali Khamenei unterstehen, kündigten für nächste Woche spezielle „Sicherheitsmanöver“ für mehrere Teile Teherans an.

Denn in der Bevölkerung wächst die Frustration über die Zerrüttung der Wirtschaft und damit die Wahrscheinlichkeit von inneren Unruhen. Allein in den letzten acht Tagen verlor der einheimische Rial fast 40 Prozent an Wert gegenüber dem Dollar, seit Beginn des Jahres sind es bereits über 70 Prozent - selbst für die inflationserprobten Iraner ein Schwindel erregender Verfall. Zuletzt kostete der Dollar 36.000 Rial, eine Woche zuvor lag der Preis noch bei 22.000 Rial, Anfang des Jahres bei 13.000 Rial. Der Chef der iranischen Bundespolizei, Esmail Ahmadi Moghadam, kündigte an, man werde eine Spezialeinheit aus Polizisten und Wirtschaftsfachleuten bilden, „um die Turbulenzen auf dem Devisenmarkt zu bekämpfen“.

Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad dagegen beschuldigte den Westen, mit seinen Sanktionen einen „Wirtschaftskrieg mit globalen Dimensionen“ gegen sein Land zu führen, und versicherte, man werde in der Atomfrage hart bleiben. „Wir sind kein Volk, was nun klein beigibt”, sagte er. „Jeder, der glaubt, er könne den Iran unter Druck setzen, ist falsch beraten und muss sein Benehmen ändern.“ Gleichzeitig bot er - wie schon bei früheren Gelegenheiten - an, Iran könne die Anreicherung von Uran auf 20 Prozent einstellen, wenn es aus dem Ausland fertigen Brennstoff für seinen medizinischen Forschungsreaktor erhalte. Der Westen verdächtigt Teheran, heimlich an einer Atombombe zu bauen, und in Wirklichkeit eine Uran-Anreicherung auf 90 Prozent anzustreben.

Die internationalen Sanktionen jedenfalls scheinen mehr denn je zu wirken, ein Faktum, welches auch Israels Regierung letzte Woche in einem internen Gutachten anerkannte. „Die Sanktionen gegen den Iran haben eine großen Sprung gemacht“, erklärte Israels Finanzminister Yuval Steinitz. Vor allem seit die Europäische Gemeinschaft und Japan kein iranisches Öl mehr abnehmen, ist Teherans Wirtschaft ins Trudeln geraten. Nach Schätzungen von Experten sind die Ölexporte inzwischen um mehr als die Hälfte eingebrochen, von 2,4 Millionen Barrel pro Tag auf rund 1,0 Millionen. Bis zum Jahresende werden sich die Einnahmeverluste auf rund 50 Milliarden Dollar

summieren. Entsprechend rasant schmelzen die Devisenreserven der Islamischen Republik. Importe auf Dollarbasis werden durch den Verfall des Rial für viele Bürger unerschwinglich teuer. Die Preise für Lebensmittel sind nach Angaben lokaler Medien in letzter Zeit um durchschnittlich 30 bis 40 Prozent gestiegen, was vor allem den ärmeren Teil der Bevölkerung trifft. Und im iranischen Staatshaushalt, der zu 80 Prozent von den Öleinnahmen abhängt, klaffen erste, große Löcher.

Immer mehr Iraner verlieren ihre Arbeit und haben nicht mehr genug zum Leben. Offiziell wird die Arbeitslosigkeit auf 12 Prozent beziffert, in Wahrheit jedoch liegt sie wohl dreimal so hoch. „Seit mehr als einem Jahr macht uns ein atemberaubender Preisanstieg zu schaffen, während die Löhne der Arbeiter in diesem Jahr nur um 13 Prozent gestiegen sind”, heißt es in einer Petition an den iranischen Arbeitsminister Abdolreza Sheikholeslami, die mehr als 10.000 Menschen im ganzen Land unterschrieben haben. „Millionen Arbeiter können ihre monatlichen Mieten nicht mehr bezahlen“ – für den Iran ein seltener und bemerkenswerter Aufschrei. In der Stadt Nishabur im Nordosten des Landes gingen am Wochenende Tausende

auf die Straße, um gegen die astronomischen Preise für Hühnchen zu protestieren, die sich in den letzten beiden Monaten verdoppelt haben. „Der Preise klettern jeden Tag – es nimmt einfach kein Ende“, klagte ein Rentner gegenüber einem lokalen Reporter. Und ein Gewerkschafter fügte hinzu: „Auf Dauer werden sich die Arbeiter nicht mehr damit begnügen, Petitionen zu schreiben.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false