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Mitarbeiter der Stadtreinigung säubern die Straße Schulterblatt vor einer Filiale der Sparkasse im Schanzenviertel von den Verwüstungen aus der Nacht.

© dpa

Linksextreme Gewalt bei G20: Auseinandersetzung statt Ausgrenzung

Die Behauptung lautet: Linkes Gedankengut kann mit Gewalt nicht einhergehen. Hamburg zeigt jedoch: Es kann. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Til Knipper

Gewalttäter, Hooligans, Kriminelle – so werden diejenigen, die Hamburg in den letzten Tagen verwüstet haben, vom SPD-Vizevorsitzenden Ralf Stegner beschrieben. Dabei geht es ihm vorerst nicht um die erschreckende Gewaltbereitschaft der Randalierer, sondern darum, eines zu verdeutlichen: Die da haben mit „progressiver linker Politik nichts gemein“. Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht wiederum sagte: „Diese Gewalttäter sind keine Linken, das sind Kriminelle. Mit einer berechtigten Kritik an einer ungerechten Weltordnung haben ihre Aktionen nichts zu tun.“

Die Ereignisse der letzten Tage haben bei linken Führungskräften ein altes Bedürfnis geweckt: all jene aus dem linken Wir auszuschließen, die ihre politische Ideologie ins Extreme treiben und im Namen linker Politik Gewalt legitimieren. Aber stimmt das? Haben Linksextreme mit dem Links-Sein nichts zu tun?

Die Behauptung lautet: Linkes Gedankengut kann mit Gewalt nicht einhergehen. Hamburg zeigt jedoch: Es kann. Gewaltbereite Linksextremisten missbrauchen das Verständnis vom linken Leben für ihre eigenen Zwecke. Auch sie behaupten, linke Grundsätze zu vertreten: Gerechtigkeit, Solidarität, Gleichheit.

Es wäre scheinheilig, zu behaupten, Hamburg habe lediglich einen Mob von Randalierern angezogen, die politische Ziele für die Befriedigung ihrer Prügeldränge missbrauchen. Einige von ihnen gab es sicherlich. Vor allem jedoch wurde es zur Plattform für die, die den Kampf für die bessere Welt buchstäblich führen. Sie missachten, dass Austausch sinnvoller ist als Gewalt, um die bessere Welt zu erreichen, die sie vorgeblich anstreben. Blickt man auf Hamburg, stellt sich dann die Frage: Solidarität oder Gerechtigkeit – mit wem? Die Anwohner dürften auf die Entscheidungsträger des Gipfels so wenig Einfluss haben wie Steine schmeißende Autonome.

Gewalt darf keine Rolle bei der Umsetzung der Idee spielen

Zu oft verfängt sich linke Politik in einer Selbstgerechtigkeit, die sie an einer kritischen Auseinandersetzung mit sich selbst und dem Umgang mit abweichenden Meinungen hindert. Doch linke Politiker sind verantwortlich, sich mit der gewaltverherrlichenden Auslegung linker Ideologien auseinanderzusetzen. Dabei geht es zuerst darum, das Problem anzuerkennen und genau das zu suchen, was die Randalierer scheuen: eine echte Auseinandersetzung mit dem Problem.

Nur, indem sich linke Politik mit der Zweckentfremdung ihrer Ideen auseinandersetzt, indem sie anerkennt, dass es ihre Grundsätze sind, die da missbraucht werden, kann sie aufzeigen, was wegweisende linke Politik ausmacht – und was nicht. Indem Stegner erklärt, das Linke könne praktisch nicht böse sein, und wer böse ist, könne nicht links sein, betreibt er genau jene Verklärung linker Ideen, die auch die Extremisten nutzen, um den Einsatz von Gewalt zu rechtfertigen. Statt die Linksextremisten ideologisch auszubürgern, müssen linke Politiker klarmachen, dass nie nur die Idee, sondern immer auch der Weg der Umsetzung zählt – bei dem Gewalt keine Rolle spielen darf.

„Am Ende profitiert von Gewalt die politische Rechte, deren Ziel es ist, das zu diskreditieren, wofür friedliche Globalisierungskritiker kämpfen“, sagt Ralf Stegner. Stegner hat durchaus erkannt, dass es der Linken nur schaden kann, wenn sie sich von Gewalt nicht distanziert. Das jedoch kann sie nur glaubwürdig tun, in dem sie sich der Verantwortung stellt, die sie viel zu lange ignoriert hat.

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