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Bundeskanzlerin Angela Merkel (links) und der türkische Präsident Erdogan

© Reuters/Yasin Bulbul/Presidental Palace Handout

Besuch der Kanzlerin in der Türkei: Merkel versucht es mit vielen kleinen Schritten

Viele halten Angela Merkels Flüchtlingspolitik für unrealistisch. Aber eine europäische Lösung ist möglich - aber eines muss nach dem anderen kommen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Die Lage ist ernst, unvermindert und anhaltend. Aber, das zuallererst, die Kanzlerin gibt nicht auf, sie gibt sich nicht geschlagen. Was für sich genommen schon eine Haltung ist, die Achtung abnötigt. Alles scheint doch gegen sie zu laufen, in Europa, in Deutschland, die Umfragen sehen sie im Tal. Aber Angela Merkel glaubt an den Aufstieg. Und vielleicht, ja doch, ganz vielleicht bekommt sie noch recht.

Warum? Weil eine europäische Lösung möglich ist, allerdings eine in vielen kleinen Schritten. Den großen Wurf wird es nicht (mehr) geben. Was nicht auf einem Europäischen Rat beschlossen ist, kann aber dennoch europäisch sein.

Es sind die Österreicher, die darauf hinweisen, wie es gehen könnte. Neben einer Lösung an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland – an der Merkel eben gerade in Ankara wieder mit ihrer herausragenden Stärke, der Nervenstärke, gearbeitet hat – muss es einen südosteuropäischen Sicherheitsverbund geben. Was heißt: Österreich (und warum nicht auch Deutschland?) kooperieren mit Slowenien, Kroatien, Serbien, Mazedonien, und sichern gemeinsam die Grenze zu Griechenland. Die meisten Flüchtlinge machen sich von Griechenland aus über die sogenannte Balkanroute auf den Weg nach (West-)Europa.

Deutschland hat genug Geld zur Bewältigung der Herausforderung

Das geht nicht? Es geht so, wie es laut Merkel im Zusammenspiel mit der Türkei demnächst gehen soll: Bundespolizisten unterstützen Grenzschützer aus den genannten Nationen. Bezahlt werden Unterkunft und Verpflegung von jedem selbst, Deutschland, das am meisten profitiert, kann zur Not helfen mit einem Obolus. Das Staatssäckel ist prall genug gefüllt. Und es geht noch weiter.

Die europäische Grenzschutzagentur Frontex kann zahlenmäßig und rechtlich mit mehr Mitteln ausgestattet werden. Das ist auch nötig, weil beispielsweise die Griechen die EU schon aufgefordert haben, 2000 Beamte von Frontex und 100 Boote zu schicken, um im Land zu helfen. Gekommen sind bisher nur 800 Beamte. Zugleich wächst der Widerstand unter den Griechen gegen den Bau von Aufnahmezentren für Flüchtlinge; die hatte die Athener Regierung der EU zugesagt. Hot Spots für die Registrierung von Flüchtlingen in Griechenland sind aber extrem wichtig. Dazu passen die von der EU geforderten Grenzkontrollen an der türkisch-griechischen Grenze.

Hand in Hand in kleinen Schritten

Nicht nur Merkel wünscht sich, dass mehr Hand in Hand gearbeitet wird, gewissermaßen wie in einer Seilschaft. Durch eine Gruppe freiwilliger Länder in der EU, die sich mit der Kanzlerin auf den Weg der kleinen Schritte begeben, wird zumindest eines erreicht: das Ende des Stillstands. Oder des Gegeneinanders. Denn niemand in der EU lässt sich befehlen, was er zu tun hat, ob er Flüchtlinge aufnimmt oder nicht. Aber gewinnen lassen sich die Südosteuropäer schon. Und sie sind wichtig! Von Frankreich, Italien, Spanien, Großbritannien ist, wie sich zeigt, die eine große entscheidende Hilfe nicht zu erwarten.

Hand in Hand: Darum ist es unumgänglich, bei der Arbeits- und Lastenteilung voranzukommen. Notfalls bilateral in Europa, für die EU. Grenzschutz, die Versorgung syrischer Flüchtlinge im Grenzgebiet der Türkei, Hot Spots, nicht zu vergessen: Aufnahmezentren in Syrien, für die es Schutzzonen geben muss. Zu deren Errichtung wird Europa Partner brauchen, was eine militärische Frage ist. Aber eines nach dem anderen.

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