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Der Journalist Deniz Yücel.

© dpa

Botschafter besucht Yücel im Gefängnis: Staatsminister Roth dringt auf Freilassung

Der deutsche Botschafter in der Türkei hat zum ersten Mal den inhaftierten Journalisten Deniz Yücel besuchen können. Der Anwalt des "Welt"-Korrespondenten setzt derweil seine Hoffnungen auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Der deutsche Botschafter in der Türkei hat am Dienstag den inhaftierten „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel im Gefängnis besucht. Eine gute Stunde durfte sich Martin Erdmann laut Auswärtigem Amt demnach am Nachmittag mit dem deutsch-türkischen Journalisten unterhalten, der mittlerweile seit 120 Tagen ohne Anklage im Gefängnis einsitzt. Zuvor hatte die türkische Regierung lediglich zwei Treffen Yücels mit dem deutsche Generalkonsul in Istanbul, Georg Birgelen, zugestimmt.

Auch Michael Roth, der Staatsminister des Auswärtigen Amts, war am Dienstag nach Istanbul gereist – nur eine Woche nach der Reise seines Chefs Sigmar Gabriel in die Türkei und dem gescheiterten Versuch, den Streit über das Besuchsverbot bei den Bundeswehrsoldaten in Incirlik beizulegen. Yücels Inhaftierung nennt Roth ein „politisches Signal“ der Türkei, nicht wirklich eine Entscheidung der türkischen Justiz, bei der es um angebliche Straftaten des Journalisten ginge, wie der Staatsminister im Deutschlandfunk erklärte. Der 43-jährige Yücel wird in Einzelhaft in Silivri gehalten, eine Autostunde entfernt im Westen von Istanbul.

"Schwere Belastung" für deutsch-türkische Beziehungen

Roth nannte Yücels Inhaftierung eine „schwere Belastung“ für das Verhältnis beider Länder. Eine Rückkehr zu den früheren freundschaftlichen Beziehungen zur Türkei sei nur vorstellbar, wenn Yücel freigelassen werde. Von einer „europäischen Perspektive“ – dem Beitritt zur EU – sei die Türkei derzeit Lichtjahre entfernt, sagte Roth. In Istanbul traf er auch Mustafa Yeneroglu, den als innerhalb der türkischen Führung weithin einflusslos geltenden Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses im türkischen Parlament. Gut und offen sei das Gespräch gewesen, twitterte Roth vom Bosporus. Der in Deutschland aufgewachsene Yeneroglu hatte immerhin als einziger AKP-Politiker Yücels Inhaftierung im vergangenen Februar kritisiert.

Yücels Anwalt Veysel Ok setzt seine Hoffnungen nun auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der will den Fall Yücel bevorzugt behandeln und hatte am Montag die türkischen Behörden bereits aufgefordert, die Inhaftierung der zehn Journalisten der Tageszeitung „Cumhuriyet“ zu begründen. Opposition und Regierungskritiker in der Türkei erlitten zu Wochenbeginn gleichwohl einen Rückschlag. Die Straßburger Richter wiesen in einer Entscheidung die erste Klage eines türkischen Lehrers ab. Gökhan Köksal hatte gegen seine Entlassung aus dem Staatsdienst geklagt.

Mehr als 8000 Lehrkräfte an Schulen und Universitäten haben seit dem Putsch und der Verhängung des Ausnahmezustands ihre Arbeit verloren. Der Lehrer müsse erst alle Rechtsmittel im eigenen Land ausschöpfen, hieß es in der Urteilsbegründung der Richter. Eine Kommission, die sich mit der Revision von Entlassungen befassen soll, war zu Jahresbeginn gegründet worden. Sie hat ihre Arbeit allerdings noch nicht aufgenommen und gilt als politisch nicht unabhängig: Ein Staatssekretär des türkischen Justizministeriums leitet sie.

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