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Der britische Premier David Cameron verhandelt mit der EU über Erleichterungen für Großbritannien.

© dpa

Brexit-Debatte: David Camerons Forderungen an die EU schmelzen

Großbritanniens Premier David Cameron wird laut Medienberichten in seinen Verhandlungen mit der EU weniger fordern als zunächst geplant. Sein Verhandlungs-Erfolg dürfte auch das Brexit-Referendum beeinflussen.

Obwohl noch zwei Jahre bis zum „Brexit“-Referendum vergehen könnten, bei dem die Briten über den Verbleib in der Europäischen Union (EU) abstimmen, haben die politischen Auseinandersetzungen längst begonnen. „Wer glaubt, wir könnten ohne Risiken für unsere Wirtschaft austreten, lebt im Wunderland“, schreibt Stuart Rose, Vorsitzender der Bleibe-Kampagne „Britain Stronger in Europe“.

Der ehemalige Chef der Kaufhauskette „Marks & Spencer“ ist kein blauäugiger Europa-Enthusiast, sondern ein hartgesottener Geschäftsmann. Er appellierte in der „Sunday Times“ an den Pragmatismus der Briten, die mit einem Austritt, „pro Familie 3000 Pfund im Jahr wegwerfen würden“. Seine Mitkämpfer sind alle noch lebenden ehemaligen Premiermister – Gordon Brown, Tony Blair (beide Labour) und der konservative John Major – sowie Promis aus Kultur, Wissenschaft und Unterhaltung.

Laut Austritt-Kampagne würden die Briten täglich 350 Millionen Pfund sparen

Pragmatisch argumentiert auch die Austritt-Kampagne „Vote Leave“. Ihr zufolge würde ein Austritt täglich 350 Millionen Pfund sparen. Seit 1996 habe Großbritannien keine einzige Entscheidung im Ministerrat blockieren können und bezahle dafür 2,4 Milliarden im Jahr. „Wir müssen im globalen Wettbewerb konkurrenzfähig sein“, schrieb der Gründer von „Reebok“, Joe Foster im „Daily Telegraph“. Auch hier tritt eine breite Koalition an. Nigel Farage, Chef der Anti-Immigrationspartei Ukip, der nostalgisch schwärmt, „Wir wollen unser Land zurück“, ist mit seiner Gruppe „Leave.EU“ ein abgespaltener Teil der Austrittsbewegung „Vote Leave“, zu der Hedgefonds und Unternehmer der City, 115 Tory-Abgeordnete und eine Handvoll linker Labourabgeordnete wie Kate Hoey gehören. Letztere sehen den Austritt als Glaubenssache für die Linken: „Wie das EU-Establishment Griechenland ein beispielloses Maß an Sparpolitik aufgezwungen hat, war ein Weckruf.“

Meinungsforschern zufolge werden Camerons Verhandlungen mit den EU-Partnern ausschlaggebend für das Ergebnis sein. Nach der jüngsten ICM-Umfrage wird es knapp: 54 Prozent wollen bleiben, 48 Prozent gehen. Kehrt Cameron mit leeren Händen aus Brüssel zurück, werde sich das Verhältnis umkehren. Für den Soziologen Matthew Goodwin von der Universität Nottingham hat der Ausbruch der Migrationskrise und die starke britische Wirtschaft den Vorsprung für einen EU-Verbleib reduziert: „Viel hängt nicht nur von dem ab, was der Premierminister aus Brüssel mitbringt, sondern wie die Kampagnen das darstellen. Wenn die Austrittsseite Camerons Verhandlungen als Rohrkrepierer zeigen kann, könnte das den Ausschlag geben“.

Noch rätselt Europa, was Premier David Cameron will. Frankreichs Präsident François Hollande forderte, Cameron möge endlich etwas zu Papier bringen. Auch deutsche Diplomaten wollen „eine Liste, damit wir die Punkte durcharbeiten können“. Bundeskanzlerin Angela Merkel erkundigte sich persönlich in Camerons Landsitz Chequers. Aber als der „Sunday Telegraph“ unter Berufung auf Regierungskreise eine Liste von Kernforderungen veröffentlichte und das Thema Immigration dabei gar nicht mehr auftauchte, begann die Austrittsseite über „Camerons schrumpfende Forderungsliste“ zu spotten. Aufgelistet waren nur noch Schutzmechanismen für Großbritannien als Nicht-Euro-Staat und eine entsprechende Umstrukturierung von EU und Euro-Zone, die Opt-Out-Möglichkeit bei weiteren Integrationsmaßnahmen und ein Mechanismus, mit dem Nationalparlamente EU-Initiativen bremsen können. Cameron habe die Hoffnung auf Änderungen bei den EU-Freizügigkeits- und Migrationsregeln wegen des Widerstands osteuropäischer Staaten aufgegeben, schreibt der „Sunday Telegraph“.

„Die Ergebnisse werden hauchdünn sein“, prophezeit der frühere Schatzkanzler Nigel Lawson, einer der Vorsitzenden der „Vote Leave“-Kampagne. Der frühere britische Labour-Außenminister David Owen, heute ein neutraler EU-Denker, warnte in der vergangenen Woche: Wenn es vor 2017 keine klare Vertragsänderung gebe, würden die Briten für den Austritt stimmen.

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