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Nordkorea: Brüchige Beziehung

Nordkorea hat sämtliche Abkommen zur Annäherung an Südkorea für nichtig erklärt. Welche Folgen kann dieser Schritt haben?

Nordkorea heizt den schwelenden Konflikt mit Südkorea weiter an. Das Regime von Diktator Kim Jong Il kündigte am Freitag sämtliche Abkommen mit dem Süden auf. In einer von Pjöngjangs offizieller Nachrichtenagentur KCNA verbreiteten Erklärung warf das „Komitee für eine friedliche Wiedervereinigung Koreas“ der Regierung in Seoul vor, die „innerkoreanischen Beziehungen an den Rand eines Krieges gedrängt“ zu haben. Weil Südkoreas Präsident Lee Myung Bak bestehende Absprachen „rücksichtslos einkassiert“ habe, fühle sich nun auch der Norden nicht mehr daran gebunden. Hoffnungen für eine Verbesserung der Beziehungen gebe es nicht.

Zwar gehören solche Formulierungen seit Jahren zur Standardrhetorik des erzkommunistischen Regimes. Doch der Schritt soll offenbar signalisieren, dass Kim eine weitere Zuspitzung der Konfrontation nicht scheut. Seit Lees Amtsantritt vor einem Jahr hat sich das Verhältnis auf der koreanischen Halbinsel deutlich verschlechtert, weil der konservative Politiker Hilfslieferungen von einem Stopp des nordkoreanischen Atomprogramms abhängig machen will. Formell befinden sich beide Staaten seit mehr als einem halben Jahrhundert im Kriegszustand.

Der Regierungswechsel in den USA könnte weitreichende Folgen haben

Ein Sprecher des südkoreanischen Ministeriums für Wiedervereinigung äußerte am Freitag „tiefes Bedauern“ und rief Pjöngjang dazu auf, schnell an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Auch Ministerpräsident Han Seung Soo erklärte, er hoffe auf eine baldige Wiederaufnahme des Dialogs. Am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos spekulierte er, der Norden wolle womöglich die Aufmerksamkeit des neuen US-Präsidenten auf sich ziehen.

Denn der Regierungswechsel bei Südkoreas Schutzmacht könnte für Kim weitreichende Folgen haben. Eine militärische Konfrontation erscheint zwar unter Barack Obama weitaus unwahrscheinlicher als noch unter George W. Bush. Doch gefährlich wäre für Kim eine gezielte Unterhöhlung seiner Macht. Unter der sogenannten Sonnenscheinpolitik hatte Südkorea versprochen, auf eine Destabilisierung von Kims System zu verzichten. Zwar hält sich Lee bisher daran. Doch nachdem Seoul in den vergangenen Monaten tatenlos zugesehen hatte, wie südkoreanische Aktivisten hunderte Ballons mit subversiven Nachrichten über die Grenze schickten, drohte Pjöngjang mit Krieg und „totaler Auslöschung“. Südkoreas Medien spekulierten am Freitag, der Affront solle Obama veranlassen, Südkorea zu einer sanfteren Gangart zu be wegen. Andere Experten glauben, der Schritt könne innenpolitisch motiviert sein. Nach langer Krankheit könnte der Diktator unter Druck stehen, seiner Bevölkerung Regierungsfähigkeit zu beweisen.

Nordkorea wird unter dem Abbruch der Beziehungen stärker leiden als der Süden

Was auch immer Kims Beweggründe sind, klar ist, die Nordkoreaner werden unter der Kündigung der Abkommen weitaus schwerer leiden als die Südkoreaner. Denn der Austausch der beiden Länder diente in den vergangenen Jahren weitgehend dem Aufbau des Nordens. Nach dem historischen Gipfeltreffen im Jahr 2000 hatte der Süden sich für die Entwicklung von Kommunikations-, Straßen- und Schienenverbindungen engagiert und dringend benötigte Lebensmittel geschickt. Auch über Familientreffen und eine Interimsgrenze gab es Absprachen.

Aber der Schritt ist auch für den Süden schmerzhaft. Ein Abbruch der Bezie hungen könnte das Ende der Sonderwirtschaftszone Kaesong bedeuten. Seit Eröffnung der nordkoreanischen Enklave 2005 haben dort 83 süd koreanische Unternehmen investiert. Südkoreas Regierung subventionierte die Erschließung mit 150 Millionen Dollar. 32 000 Nordkoreaner arbeiten dort zu Löhnen, die unter denen anderer Billigproduktionsländer liegen. Seit der Etablierung der Zone lag der Umsatz bei 450 Millionen Dollar – für Pjöngjang eine wichtige Devisenquelle. Daher ist zu erwarten, dass Nordkorea mit seinen Drohungen nicht ganz Ernst macht. Schon im November hatte Pjöngjang angekündigt, zum ersten Dezember alle Grenzübergänge zum Süden schließen zu wollen. Trotzdem lief der Verkehr nach Kaesong weiter, wenn auch nicht mehr so flüssig wie zuvor.

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