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Der Soli ist nach Ansicht des Bundesfinanzhofs seit 2019 verfassungswidrig.

© dpa/Sven Hoppe

Update

Bundesfinanzhof hat entschieden: Solidaritätszuschlag verstößt nicht gegen Verfassung

Oberstes Finanzgericht hält Weitererhebung des „Soli“ bei einem Teil der Steuerzahler nicht für grundgesetzwidrig. FDP und Union setzen auf endgültige Entscheidung in Karlsruhe

Der Bundesfinanzhof (BFH) hält die fortgesetzte Ergebung des Solidaritätszuschlags nicht für verfassungswidrig. Das teilte das oberste deutsche Finanzgericht am Montagmorgen mit. Das letzte Wort wird allerdings das Bundesverfassungsgericht haben - dort ist bereits eine Verfassungsklage anhängig, auch die jetzt vor dem BFH unterlegenen Kläger können sich nach Karlsruhe wenden.

Das BFH-Urteil bedeutet, dass die Sonderabgabe nun weiterhin bei Unternehmen und Gutverdienern erhoben werden darf. Etwa 90 Prozent der Steuerzahler sind seit 2021 vom „Soli“ befreit. Diese Entscheidung der großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel hat die Ampel-Koalition bei ihrem Regierungsantritt vor gut einem Jahr bestehen lassen.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) war gegen die Weitererhebung des „Soli“ und hatte deswegen entschieden, dass sein Ministerium die Beteiligung am Verfahren zurückzieht. Es schickte Mitte Januar auch keinen Beobachter zur mündlichen Verhandlung. Mit der Entscheidung des Gerichts kann der Bund bis auf Weiteres mit Steuereinnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe pro Jahr rechnen. 2022 lagen diese bei knapp zwölf Milliarden Euro.

Zwei Klagegründe

Beim BFH geklagt hatte ein älteres Ehepaar, unterstützt vom Bund der Steuerzahler. Die Kläger hatten zwei Einwände vorgetragen. Zum einen fehle der notwendige Zweck für eine solche Sonderabgabe. Der sei mit dem Auslaufen des Solidarpakts II zugunsten der ostdeutschen Länder im Jahr 2019 entfallen. Seither handele es sich quasi um eine begründungslose Abgabe für allgemeine Finanzierungszwecke. Sonderabgaben wie der „Soli“ müssen allerdings zweckgebunden sein, im Gegensatz zu einer Steuer.

Als zweiten Klagegrund hatte das Ehepaar vorgebracht, dass nur noch ein kleiner Teil der Steuerpflichtigen die Zahlung zu leisten habe. Das verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil hier quasi eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes erfolge, ohne dass dies vom Gesetzgeber so beschlossen worden sei. Reiner Holznagel, der Präsident des Bundes der Steuerzahler, hatte deswegen auch von einer „Reichensteuer“ gesprochen.

Nach Ansicht des BFH hat eine Ergänzungsabgabe die Funktion, einen zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes ohne Erhöhung der übrigen Steuern zu decken. „Die Abgabe muss nicht von vornherein befristet werden und der Mehrbedarf für die Ergänzungsabgabe kann sich auch für längere Zeiträume ergeben“, entschied das Gericht. Das Urteil betrifft die Jahre 2020 und 2021.

„Rechtfertigung nicht verloren“

Mit dem Auslaufen des Solidarpakts II und der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs zum Jahresende 2019 habe der Solidaritätszuschlag seine Rechtfertigung als Ergänzungsabgabe nicht verloren. „Eine zwingende rechtstechnische Verbindung zwischen dem Solidarpakt II, dem Länderfinanzausgleich und dem Solidaritätszuschlag besteht nicht“, teilte das Gericht mit.

„Zudem bestand in den Streitjahren 2020 und 2021 nach wie vor ein wiedervereinigungsbedingter Finanzbedarf des Bundes“, urteilt der BFH. Er nennt hier ausdrücklich die Rentenversicherung und den Arbeitsmarkt. Der Gesetzgeber habe zudem „schlüssig dargelegt, dass die Einnahmen aus dem ab 2021 fortgeführten Solidaritätszuschlag zukünftig die fortbestehenden wiedervereinigungsbedingten Kosten nicht decken werden“.

Der Gesetzgeber kann den Solidaritätszuschlag auf Steuerpflichtige mit hohen Einkünften beschränken

Aus der Mitteilung des Bundesfinanzhofs

Aus dem Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags werde deutlich, „dass der Gesetzgeber diesen nicht unbegrenzt erheben will, sondern nur für eine Übergangszeit“. Ein finanzieller Mehrbedarf des Bundes, der aus der Bewältigung einer Generationenaufgabe resultiere, könne auch für einen sehr langen Zeitraum anzuerkennen sein. Dieser Zeitraum ist nach Ansicht des Gerichts beim Solidaritätszuschlag auch ein Vierteljahrhundert nach seiner Einführung noch nicht abgelaufen.

Gericht verweist auf Sozialstaatsprinzip

Die Ungleichbehandlung der Steuerzahler ist nach Ansicht des Gerichts gerechtfertigt - es verweist dabei auf das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes. „Bei Steuern, die wie die Einkommensteuer und damit auch der Solidaritätszuschlag an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet sind, ist die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zulässig“, heißt es in der Mitteilung des BFH. „Daher kann auch der Gesetzgeber beim Solidaritätszuschlag, der im wirtschaftlichen Ergebnis eine Erhöhung der Einkommensteuer darstellt, sozialen Gesichtspunkten Rechnung tragen und diesen auf Steuerpflichtige mit hohen Einkünften beschränken.“

SPD und Grüne zufrieden

Der SPD-Finanzpolitiker Michael Schrodi begrüßte die Entscheidung: Der BFH habe den Solidaritätszuschlag „als zentrales Element einer gerechten Finanzierung der deutschen Einheit bestätigt“. Die Richter hätten in der Urteilsbegründung weitgehend die Argumente der SPD-Bundestagsfraktion bestätigt. SPD-Fraktionsvize Achim Post betonte, dass eine massive Steuerentlastung für Besserverdienende durch ein Ende des „Soli“ angesichts der aktuellen Herausforderungen das falsche Signal wäre. Mit Blick auf die Begründung des Gerichts sagte er, eine „einmalige Krisen-Abgabe, die besonders hohe Vermögen stärker an den Krisenlasten beteiligt, könne in der aktuellen Situation ein Instrument sein. 

Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch bezeichnete die BFH-Entscheidung als wichtigen Schritt, sie sei aber „nicht das Ende der Debatte“. Die Wirtschaftsweisen hätten zu Recht gefordert, den Spitzensteuersatz zur Krisen-Finanzierung anzuheben. „Wir brauchen eine ehrlichere Debatte über Verteilungsgerechtigkeit und eine gerechte Steuerpolitik.“

Jetzt liegt es in den Händen des Bundesverfassungsgerichts, Klarheit zu schaffen

Christoph Meyer, FDP-Fraktionsvize im Bundestag

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Christoph Meyer, bedauerte das Urteil dagegen. „Jetzt liegt es in den Händen des Bundesverfassungsgerichts, über die Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlags zu entscheiden und Klarheit zu schaffen.“

Die FDP-Fraktion bleibe bei ihrer Position, dass der Soli keine Rechtsgrundlage mehr habe und daher baldmöglichst abgeschafft werden müsse, sagte Meyer. „Wer sich nun freut und weiter nach dem Soli ruft, um dem Staat die Einnahmen zu sichern, dem sei gesagt: Wir haben kein Einnahmenproblem, stattdessen sprudeln die Steuereinnahmen.“ Hinter der in Karlsruhe schon eingereichten Klage stehen FDP-Politiker.

Auch für Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg bleiben Zweifel. „Der Bundesfinanzhof hat noch keine Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlags erkannt.“ Er habe auch klar gemacht hat, „dass die Ergänzungsabgabe nur noch so lange zulässig sei, wie ein zusätzlicher Finanzbedarf des Bundes im Zusammenhang mit besonderen Aufwendungen wegen der Wiedervereinigung dargelegt werden kann“. Angesichts der finanziellen Risiken für den Bundeshaushalt sei eine zeitnahe endgültige Entscheidung in Karlsruhe wichtig.

Kritik kam auch vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. „Der Soli ist nicht mehr zeitgemäß, das ist seit Jahren bekannt“, sagte dessen Steuerexperte Tobias Hentze. „Er ist zu einer verkappten Unternehmensteuer geworden, was besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gefährlich ist. Die vollständige Abschaffung ist überfällig.“ Laut IW zahlen sechs Millionen Privatpersonen, darunter viele Selbstständige, sowie etwa 500.000 Unternehmen weiterhin den Steuerzuschlag.  

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