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Selfies mit dem Bundespräsidenten sind begehrt.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Bundespräsident Steinmeier bei Bürgerfest: „Manche Menschen erreichen wir nicht mehr“

Beim Bürgerfest des Bundespräsidenten auf Schloss Bellevue ist die Stimmung gelöst. Bei der Podiumsdiskussion geht es dann etwas ernster zu.

Von Johann Aschenbrenner

„Bewahren Sie einen Rest von Anstand – bitte nicht zu aggressiv werden“, ruft der Moderator von der Bühne im Park des Schloss Bellevue. Der Andrang, ein Selfie mit dem Bundespräsidenten zu bekommen, ist groß, der Moderator versucht die Menge in Zaum zu halten. Nicht nur die Bürger sind zu Gast in Bellevue, auch Tschechien und Thüringen sind als Partnerländer vertreten, Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) ist da. „Wen interessiert der denn?“, sagt ein Junge über Ramelow. Er steht ganz vorne in der Menge, um einen Blick auf Steinmeier zu erhaschen.

Im Mittelpunkt stehen soll bei diesem Bürgerfest allerdings nicht der Bundespräsident oder seine Frau Elke Büdenbender, sondern das Ehrenamt. Dazu hat Steinmeier über 3000 ehrenamtlich Engagierte eingeladen. Zahlreiche Initiativen stellen ihre Arbeit vor. Und natürlich gibt es Bratwurst, Bier (0,3 für 3,50 Euro) und sogar einen Rotkäppchen-Sekt-Stand. Marina Seikel, 67, aus Berlin Neu-Hohenschönhausen, freut sich, in Bellevue zu sein: „Sonst kommt man ja nicht rein, da wollte ich die Gelegenheit nutzen.“

Sie besucht ehrenamtlich ältere Damen, organisiert Spielrunden. Sorgen macht ihr die soziale Ungleichheit: „Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer.“ Sie muss trotz der Rente mit Bürgergeld aufstocken, um über die Runden zu kommen. Das Format des Bürgerfestes findet sie gut, auch wenn sie nicht zu den geehrten 3000 Ehrenamtlichen gehört.

Mehr Bürgerdialog mit der Politik

Jeannette Roschinski, Studentin, ist aus Rostock angereist. Ihre Schwester hat sie eingeladen, die arbeitet beim Fest für die Stiftung Engagement und Ehrenamt. Später möchte die 23-Jährige als Sozialpädagogin arbeiten und will sich dafür beim Bürgerfest inspirieren zu lassen. In der Bildungspolitik wünscht sie sich Reformen: einen moderneren Bildungsplan, Digitalisierung von Schulen. Es gebe auch zu viel Bildungsungleichheit.

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Auch Marco Paulus, 48, Verwaltungsangestellter aus Weißensee, hat Kritik auf dem Herzen. Er wünscht sich mehr Bürgerdialog mit der Politik. Das Bürgerfest sei zwar theoretisch niedrigschwellig erreichbar und auch die Swingmusik auf der Bühne gefällt ihm gut. Aber: „Das zieht hier halt nur bestimmte Bevölkerungsschichten an.“

Wie man bestimmte Schichten noch erreicht, darum geht es auch in einer Podiumsdiskussion mit dem Bundespräsidenten: „Es gibt Menschen, die wir nicht mehr erreichen. Die haben abgeschlossen. Mir hat neulich jemand einen Brief überreicht, auf dem hieß es: Ich trete aus der BRD aus“, erzählt Steinmeier.

Bis zu 45 Minuten muss man warten, um ins Schloss hereinzukommen – und das bei 30 Grad.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Er glaube aber, dass viele Menschen, die Parteien und Politikern skeptisch gegenüberstehen, immer noch zu erreichbar sind.  Etwas pessimistischer sieht das Dorothea Schneider vom Verein „Augen auf“ aus der Oberlausitz, einer Initiative für Demokratiebildung. Sie sitzt mit Steinmeier auf dem Podium: „Ich habe in den letzten drei Jahren so viele Dialogangebote mitgemacht, ich muss wirklich sagen, sie sind zum größten Teil einfach gescheitert.“

Neulich habe ihr Verein eine Veranstaltung organisiert. Vor der Tür standen dann 30 Neonazis. „Als ich die Polizei gerufen habe, haben die gesagt: Würdet ihr die Veranstaltung nicht machen, hätten wir jetzt das Problem nicht.“ Steinmeier räumt ein, dass er als Bundespräsident nur wenig tun könne, um Engagierten wie Schneider den Rücken zu stärken. Er versuche es, indem er Initiativen wie die von Dorothea Schneider möglichst oft ein Forum biete. 

Abseits der Podiumsdiskussion ist die Stimmung ungetrübt: Ein Highlight des Bürgerfestes ist eine Eisenbahninstallation: Die Waggons sind in etwa so groß wie Bobbycars. Darauf sitzen Kinder, die sich von der Minieisenbahn durch den Schlosspark fahren lassen. Das Eisenbahnunternehmen „railadventure“, das dahintersteht, hatte über ein Jahr lang mit seinen Zügen Flüchtlinge aus der Ukraine nach Deutschland gefahren. Heute steht hier aber der Spaß im Vordergrund: „Füße hoch“ ruft der Lokführer den Kindern zu.

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