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Bundestag: Merkel verteidigt Afghanistan-Strategie

In ihrer Regierungserklärung zum G-8-Gipfel hat sich die Kanzlerin zu Klimaschutz, Finanzkrise und Afghanistan-Einsatz geäußert. Dieser sei gefährlich, aber ohne Alternative.

Im Anschluss an die Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum bevorstehenden G-8-Gipfel in Italien schlug die Stunde der Opposition. In der Debatte um die deutschen Positionen zu Finanzkrise, Klimaschutz und Afghanistan kritisierten FDP, Grüne und Linke die Arbeit der Großen Koalition und dabei vor allem das Gebaren der Regierungschefin.

Besonders deutliche Worte fand Oskar Lafontaine, der der Bundesregierung Versagen in der Finanzkrise vorgeworfen hat. "Das Kasino läuft weiter ohne jede Einschränkung". Kanzlerin Merkel habe in ihrer Regierungserklärung keine konkreten Vorschläge gemacht, um die Finanzmärkte zu regulieren und die Kreditprobleme der Wirtschaft zu überwinden. Außerdem werde weiterhin Geld in Steueroasen verschoben. Der Fraktionsvorsitzende der Linken forderte unter anderem mehr staatliche Kontrolle der Banken, ein Verbot des Handels von "Schrottpapieren" und die Regulierung des Kapitalverkehrs.

Auch FDP-Chef Guido Westerwelle – nach der Bundestagswahl am 27. September immerhin möglicher Koalitionspartner von Merkel – ließ an der Arbeit der Regierung kein gutes Haar. Insbesondere in der Energiepolitik sei das schwarz-rote Bündnis vollkommen uneins. Der Liberale forderte die Kanzlerin auf, innerhalb der Regierung "Klarheit zu schaffen". Zugleich wies er darauf hin, dass nur Deutschland auf die Kerntechnik verzichte, obwohl hier die sichersten Atomkraftwerke stünden. "Wir brauchen diese Überbrückungstechnologie", so Westerwelle. "Ein Energiemix einschließlich dieser Technologie sei die beste Antwort auf den Klimawandel".

Zudem forderte der FDP-Vorsitzende die Regierung auf, endlich die Bankenaufsicht in Deutschland effektiver zu strukturieren. Nach wie vor sei diese zersplittert in Bafin und Bundesbank. Wer international eine bessere Kontrolle der Finanzströme fordere, müsse dies zuerst im eigenen Land besser regeln. Westerwelle griff auch die SPD an. Sie habe mittlerweile seit elf Jahren die Verantwortung für das Finanzministerium. "Alle Finanzmarktregeln, die sie beklagt, hat die SPD selbst geschaffen".

Für die Grünen warf Fraktionschefin Renate Künast der Kanzlerin vor, die Probleme immer nur zu beschreiben. "Die Kanzlerin hat hier zu jedem Punkt ein wenig gesagt, so in der Art eines überfliegenden Bundesadlers", sagte Künast. "Sie wollen eine Richtung vorgeben, aber Sie haben sich nicht entschieden, welche Richtung Sie selbst haben", sagte die Grünen-Politikerin. Merkel proklamiere stets nur die soziale Marktwirtschaft und eine Charta des nachhaltigen Wirtschaftens. Ohne konkrete Reformen aber bleibe dies folgenlos.

Zuvor hatte sich Merkel in einer Regierungserklärung zu den bestimmenden Themen des G-8-Gipfels, der ab kommenden Mittwoch im italienischen L'Aquila stattfinden soll. Im Mittelpunkt des Treffens der Staats- und Regierungschefs der acht wichtigsten Industrieländer steht neben der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise auch das Ringen um mehr weltweiten Klimaschutz.

Die Kanzlerin machte deutlich, dass zur Lösung dieser weltweiten Probleme weit mehr Länder einbezogen werden müssten. "Der Gipfel in L'Aquila wird deutlich machen, dass dieses G-8-Format nicht mehr ausreichend ist". Schon in Italien sollen auch Vertreter von fünf Schwellenländern und afrikanischen Ländern dazustoßen. "Man sieht also, die Welt wächst zusammen. Die Probleme können von den Industrieländern nicht mehr allein gelöst werden", sagte Merkel.

Ihrer Meinung nach steht der Gipfel ganz im Zeichen der Finanzkrise. Die Strategie Deutschlands sei dabei ganz klar: "Wir werden darauf beharren, dass wir wirklich eine neue Finanzmarktverfassung für die internationalen Märkte bekommen". Nur so könne man eine ähnliche Krise in Zukunft vermeiden. Merkel warnte davor, im Falle einer Wirtschaftserholung hier Zugeständnisse zu machen. Bei vielen Banken gebe es schon wieder die Tendenz, sich gegen zu starke Regeln zu wehren. Stattdessen warb die Regierungschefin für gleiche Kriterien bei der Arbeit an einer Finanzaufsicht in der EU und den USA.

Auch in puncto Klimaschutz müsse die Europäische Union mit Washington zusammenarbeiten, auch wenn die USA hierbei trotz der neuen Politik der Obama-Regierung noch keine Vorreiterrolle übernehmen könne. "Europa hat eindeutig die Führung". Die Klimaziele, die das Abgeordnetenhaus vorgelegt habe, führten noch nicht automatisch zu dem Ziel, das für 2050 nötig sei. "Aber sie bedeuten eine Trendwende." Nötig sei ein Bekenntnis, dass die weltweite Temperatur bis 2050 um zwei Grad steige. Merkel zeigte sich zuversichtlich, dass es beim UN-Klimagipfel im Dezember in Kopenhagen eine Lösung geben kann.

Merkel bekräftigte zudem die Position der Koalition zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. "Wir stehen hier weiterhin vor großen, vor schwierigen und vor gefährlichen Herausforderungen", sagte sie am Donnerstag im Bundestag. "Aber ich sage auch: Ziel und Strategie des Einsatzes der Nato und unseres zivilen Engagements sind ohne vernünftige Alternative." Das Ziel sei, dass die Streit- und Polizeikräfte die Sicherheit des Landes selbst garantieren könnten. "Dazu bedarf es der internationalen Hilfe." Es gebe aber auch Fortschritte, wenn zum zweiten Mal ein Präsident gewählt werde.

Diese Hilfe hat einen hohen Preis, den viele Bundesbürger laut jüngsten Umfragen nicht mehr bereit sind zu zahlen. Erst in der vergangenen Woche waren drei Bundeswehrsoldaten bei einem Gefecht mit den Taliban getötet worden. Die Männer stürzten bei einem Ausweichmanöver mit ihrem Transportpanzer vom Typ "Fuchs" in einen Wassergraben und starben. Mit einer Trauerfeier, an der auch Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) teilnehmen wird, nimmt die Bundeswehr an diesem Donnerstag Abschied von ihnen.

Zugleich wurde bekannt, dass die US-Armee im südafghanischen Helmand die bisher größte Militäroffensive seit dem Einmarsch der alliierten Truppen gestartet hat. Mehr als 4500 amerikanische und einheimische Soldaten versuchen, die Aufständischen zurückzudrängen. Die Provinz gilt als Hochburg der Islamisten und als Zentrum des Opiumanbaus. Angesichts der zunehmend prekären Sicherheitslage sah sich die Regierung in Washington zu einem Strategiewechsel und zur Aufstockung der Kampftruppen gezwungen. Auch von Deutschland erwartet Präsident Barack Obama mehr Engagement.

Merkel und ihr Parteikollege Jung sind allerdings dazu nicht bereit. Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Zahl von Hinterhalten und Gefechten kündigte der Verteidigungsminister jedoch an, dass derzeit die Handlungsanweisungen für die deutschen Soldaten in Afghanistan überprüft würden. "Wir wollen natürlich unseren Soldatinnen und Soldaten auch die Rechtssicherheit geben, die sie brauchen, um auch solche Kampfsituationen bestehen zu können." Wenn etwa unmittelbare Gefahr drohe, müssten sie auch handeln können.

ZEIT ONLINE, kg, dpa, Reuters

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