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"Patriot"-Raketen der Bundeswehr. Hilft Deutschland der Türkei im Rahmen eines Nato-Einsatzes?

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Update

NATO-Mission: Bundeswehr soll mit „Patriot“-Raketen an die türkisch-syrische Grenze

Die Bundeswehr steht laut eines Medienberichts vor einem NATO-Einsatz an der Grenze zwischen Syrien und der Türkei. Am Montag will die Türkei demnach eine offizielle Bitte an seine Verbündeten richten und hofft auf die Stationierung von „Patriot“-Abwehraketen.

Die Türkei kann mit der Entsendung deutscher Soldaten und „Patriot“-Abwehrraketen zum Schutz ihres Territoriums vor einem Beschuss aus dem benachbarten Unruheland Syrien rechnen. Deutschland werde ein mögliches Ersuchen der Türkei an die NATO „mit Blick auf die Bündnisverpflichtung“ prüfen, sagte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums am Samstag.

Laut der „Süddeutschen Zeitung“ will Ankara am Montag die Bündnispartner um Hilfe ersuchen. Türkische Grenzstädte sind in den vergangenen Wochen mehrmals von Syrien aus unter Beschuss geraten; dabei gab es Tote und Verletzte. Ein Regierungsvertreter in Ankara sagte dem Tagesspiegel, Gespräche innerhalb der NATO über eine Stationierung seien noch nicht abgeschlossen.

Dem SZ-Bericht zufolge will sich Deutschland mit einer oder zwei „Patriot“-Staffeln und bis zu 170 Bundeswehrsoldaten an einer möglichen Nato-Operation beteiligen. Ob dazu ein Mandat des Bundestags erforderlich ist, ist unklar. Die Grüne sprachen sich am Samstag gegen eine Bundeswehr-Beteiligung aus.

In der südostanatolischen Großstadt Diyarbakir herrschte am Samstag Ausnahmezustand. Schwer bewaffnete Soldaten, vermummte Polizisten mit Gewehren im Anschlag und gepanzerte Fahrzeuge bestimmten das Straßenbild. Das Großaufgebot sollte eine Solidaritätsaktion für hungerstreikende kurdische Häftlinge verhindern, die vom Gouverneur verboten worden war. Mitten in dieser spannungsgeladenen Atmosphäre des türkischen Kurdenkonfliktes könnten demnächst Bundeswehrsoldaten in Diyarbakir eintreffen: Die Stadt rund hundert Kilometer nördlich der syrischen Grenze ist wegen ihrer großen Luftwaffenbasis ein möglicher Stationierungsort für moderne „Patriot“-Abwehrraketen der türkischen NATO-Partner USA, Niederlande und Deutschland.

Seit Wochen reden türkische Diplomaten und Militärs mit ihren Kollegen bei der NATO über eine Hilfe des Bündnisses für die Türkei, deren 900 Kilometer lange Grenze mit Syrien zu einer Gefahrenzone geworden ist. Fünf Menschen starben im Oktober beim Einschlag einer syrischen Artilleriegranate in der Grenzstadt Akcakale; in Ceylanpinar weiter östlich bombardierte die syrische Luftwaffe vor einigen Tagen einige Verstecke der Rebellen nur wenige Meter von der Grenze entfernt. Es gab Verletzte auf türkischer Seite.

Die „Patriots“ der NATO sollen Abhilfe schaffen, und zwar gleich in mehrfacher Hinsicht, wie die türkische Regierung hofft. Die Raketen könnten zum einen türkische Einrichtungen wie die Luftwaffenbasis Diyarbakir vor Angriffen schützen. Zum anderen wären die hochmodernen Abwehrsysteme mit einer Reichweite von etwa 45 Kilometern ein Mittel zur Abschreckung, wenn sie nahe genug an der Grenze aufgebaut würden: Bei grenznahen Bombardements wie in Ceylanpinar würden syrische Piloten riskieren, abgeschossen zu werden.

Auf diese Weise wären die Raketen nicht nur ein sichtbarer Beweis für die Solidarität der türkischen NATO-Partner. Im Schutz der „Patriots“ könnte entlang der Grenze eine inoffizielle Schutzzone für Flüchtlinge und Rebellen entstehen, lautet das Kalkül in Ankara. Zumindest einige der inzwischen rund 120.000 Syrer in türkischen Auffanglagern könnten dann heimkehren.

In Diyarakir selbst haben laut türkischen Presseberichten schon die Vorbereitungen für eine Stationierung der „Patriots“ begonnen. Nach dem Besuch eines Vorauskommandos von 30 amerikanischen und niederländischen Soldaten vor einigen Tagen wurden demnach auf der Luftwaffenbasis der Stadt erste Stellungen für die Raketenbatterien ausgehoben.

Der türkische Generalstab dementierte die Meldungen. Aber das heißt nicht, dass eine Statonierung in Diyarbakir ausgeschlossen wäre: Schon während des ersten Golfkrieges 1991 wurden Bundeswehrsoldaten mit Luftabwehrgeschützen des Typs „Hawk“ in die südostanatolische Stadt verlegt. Im zweiten Golfkrieg 2003 erhielt Diyarbakir ebenfalls Schutz durch NATO. Damals waren es „Patriots“ der Niederlande.

Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hatte am Donnerstag bei einem Besuch in Paris betont, dass ein möglicher Patriot-Einsatz „keinerlei Einmischung“ in den syrischen Bürgerkrieg bedeuten würde. Es diente lediglich dem Schutz türkischen Territoriums.

In der NATO gibt es nur drei Länder, die über Patriot-Raketen des modernsten Typs PAC-3 verfügen, wie er laut SZ an der türkisch-syrischen Grenze eingesetzt werden soll. Das sind die USA, die Niederlande und Deutschland. Mit der PAC-3-Version können sowohl Flugzeuge als auch anfliegende Raketen bekämpft werden. (mit AFP)

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