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Otto Wulff ist seit 1953 in der CDU.

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„Müssen uns um die echten Probleme kümmern“: Chef der Seniorenunion warnt CDU und CSU vor Vertrauensverlust

Otto Wulff war schon bei der Gründung bei der CDU dabei. Er hält ausufernde Personaldebatten für schädlich - und wirbt für Armin Laschet.

Otto Wulff (88) ist seit 2002 Vorsitzender der Senioren-Union. Er trat 1953 in NRW in die CDU ein. Zunächst war er Abgeordneter im Kreis Iserlohn. Von 1969 bis 1990 saß er im Bundestag.

Herr Wulff, die K-Frage zwischen Armin Laschet und Markus Söder sorgt massiv für Unruhe in CDU und CSU. Haben Sie Sorge, es könnte die Union zerreißen?
Ich bin sicher: Wir werden am Ende eine Lösung finden. Meine Sorge ist aber, dass wir zu lange in Personaldebatten verharren und uns nicht um die echten Probleme unseres Landes kümmern: Coronakrise, Klimakrise, gesellschaftlicher Zusammenhalt. Die Union war immer stark, wenn sie sich Lösungen gewidmet hat. Es zerstört auch Vertrauen in der Bevölkerung, wenn der Eindruck entsteht: Die Politik dreht sich um sich selbst. Wir müssen in der K-Frage so schnell wie möglich eine Entscheidung bekommen und uns wieder um die Menschen kümmern.

CDU-Vorstand und Präsidium haben am Montag Laschet Rückendeckung für seine Kanzlerkandidatur gegeben. Hätten Sie es da für möglich gehalten, dass der Kampf um die K-Frage noch eskaliert?
Am Wochenende hat Markus Söder erstmals erklärt, dass er als Kanzlerkandidat zur Verfügung stünde. Da habe ich ihn so verstanden: Wenn die CDU – und damit können ja nur ihre Gremien gemeint gewesen sein – eine Entscheidung trifft, dann wolle er das akzeptieren. Dass das nicht so gelaufen ist, hat mich natürlich geärgert. Ich kann der CSU nichts vorschreiben und will es auch nicht. Aber sie muss wissen, dass auch sie in der Union ihren Teil der Verantwortung trägt. Da sollten eigene Wünsche schon mal zurücktreten.

In der Fraktion gibt es unter den CDU-Abgeordneten viele Söder-Befürworter. So einige machen sich Sorgen um ihr Mandat. Müssen die auch zurückstecken?
Ich kann diese Sorgen verstehen. Aber das persönliche Interesse und die Angst ums eigene Mandat dürfen nicht im Vordergrund stehen. Politik ist kein Selbstzweck. Im Mittelpunkt muss für jeden Politiker stehen, die Probleme im Lande zu lösen.

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Im Volk scheinen aber mehr Menschen Vertrauen in Markus Söder als in Armin Laschet zu haben, darunter viele CDU-Anhänger. Wäre es nicht falsch, das zu ignorieren?
Ich halte nichts davon, wenn wir uns von Tagesmeinungen treiben lassen und den Kanzlerkandidaten nach den Umfragewerten auswählen. Oft gingen Wahlen ganz anders aus, als es die Umfragen vorhergesagt haben. Wir müssen aus Überzeugung handeln. Und an der Spitze der CDU gibt es die Überzeugung, dass Laschet der Richtige ist: Er hat das große Talent zu integrieren. Er hat bewiesen, alle Flügel in der Partei einbinden zu können. Und er weiß, dass in der Politik immer der Kompromiss im Mittelpunkt stehen muss.

Sie sind am Tag Ihres Abiturs 1953 in die CDU eingetreten, haben viel miterlebt. Wie schwer ist die Krise, in der sich die Union derzeit befindet?
Sie können mir glauben: Die Union hat schon deutlich schwierigere Zeiten erlebt als diese. 1945, da war ich ein junger Bub, da wurde in meinem Elternhaus die CDU mitgegründet. Da waren Männer aus allen Schichten dabei, alle Gegner der Nationalsozialisten. Meine Mutter hat Erbsensuppe gekocht, es gab illegal gebrannten Schnaps. Damals lag das Land in Trümmern, die Menschen hungerten. Das waren Probleme. Damals spielten Personalfragen keine Rolle.

Aber die CDU und CSU haben sich in der Geschichte der Union auch hart bekämpft.
Natürlich. Ich erinnere nur an die heftigen Streitigkeiten zwischen Helmut Kohl und Franz Josef Strauß in den 70ern. Oder als sich 1979 der CDU-Vorstand für den niedersächsischen CDU-Ministerpräsidenten Ernst Albrecht als Kanzlerkandidaten aussprach und die Fraktion dann aber CSU-Chef Strauß zum gemeinsamen Kanzlerkandidaten wählte. Diese Auseinandersetzung war härter und unversöhnlicher als heute. Ich weiß, wovon ich rede.

Trotzdem ist die heutige Situation für die Union gefährlich.
Je länger das Ganze dauert, desto schwieriger wird die Situation. Es entstehen nur zusätzliche Verletzungen und Blessuren. Doch ich bin sicher, dass wir zu einer Lösung kommen – in der CDU darf man nur Optimist sein. Wovor ich aber warnen will: Dass wir eine Entscheidung treffen und dann die Personaldiskussionen trotzdem nicht aufhören. Dass es dann heißt: Vielleicht wäre der andere doch besser gewesen. Das würde dauerhaft von unserem Programm ablenken. Wenn die Entscheidung gefallen ist, muss Schluss sein. Die Union muss wieder führen, sie kann es und hat es bewiesen.

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