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Streit ums Kindergeld für Ausländer.

© Felix Kästle/dpa

Debatte um Kindergeld für Ausländer: Einfach nur schäbig

Die Regierung will Migranten das Kindergeld kürzen, wenn deren Kinder im Ausland leben. Wegen geringerer Lebenshaltungskosten. Warum machen wir das dann nicht auch bei uns? Ein Kommentar

Ein Kommentar von Albert Funk

Peinlich, peinlich – so könnte man die wirre Debatte um das Kindergeld für Ausländer bezeichnen, wäre sie in ihrer Auswirkung nicht so gefährlich. Denn was einige Sozialdemokraten im Verein mit dem Städtetag vom Zaun brachen, unterstützt von den üblichen Verdächtigen in der Union und vom Porsche-Fahrer und FDP-Chef Christian Lindner, ist ein Unterstützungsprogramm für die ausländerfeindliche Agitation der AfD. Munter wurde durcheinandergemischt: unrechtmäßiger Bezug von Kindergeld, dann die alte Leier von der „Einwanderung in die Sozialsysteme“, ergänzt um die seit Jahren von der Bundesregierung erhobene Forderung, Kindergeld für im Ausland lebende Kinder kürzen zu können, was nach EU-Recht nicht geht. Dass in diesen Fällen (die Kinder bleiben daheim, wenn ein Elternteil in Deutschland arbeitet) nach Aussage der Familienkasse, der zuständigen Behörde, aber praktisch kein Missbrauch erkennbar ist, scheint den Kampagnenmachern nicht bekannt gewesen zu sein.

Die Indexierung, das Bemessen nach den Lebenshaltungskosten, ist bisher auf europäischer Ebene nicht durchzusetzen. Aber warum gehen wir nicht mutig voran und machen das bei uns? Die Lebenshaltungskosten sind regional in Deutschland ja sehr unterschiedlich. Wer Kindergeld nach Bedarf zahlen will, dem tut sich hier ein weites Feld auf. Die Lebenshaltungskosten in München sind, je nach Statistik, 30 bis 40 Prozent höher als im Bundesschnitt, in Bremerhaven oder Chemnitz aber liegen sie 20 Prozent darunter. Warum bekommen also Kindergeldberechtigte hier wie dort das Gleiche? Warum kriegen Duisburger nicht weniger, Stuttgarter Eltern nicht mehr? Oder um ganz konkret an die Debatte um das Ausländerkindergeld anzuknüpfen: Warum braucht ein als Wochenendpendler bei Daimler in Untertürkheim arbeitender Angestellter, dessen Familie in der Lausitz oder der Eifel lebt, das gleiche Kindergeld wie seine in und um Stuttgart wohnenden Kollegen?

Sie kommen wegen der Löhne

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Die innerdeutsche Indexierung wäre so wenig eine gute Idee wie die Indexierung im EU-Rahmen. Darum gibt es diese innerdeutsche Debatte auch nicht. Doch lässt sich hier aufzeigen, wie absurd die Debatte um das Kindergeld für Ausländer ist. Würde denn wirklich jemand von Duisburg nach Stuttgart oder von Bautzen nach München ziehen, wenn dort das Kindergeld lebenshaltungskostenhalber höher wäre? Wohl kaum. Es sind (neben dem Vermeiden von Arbeitslosigkeit, also Not) vor allem die Einkommen, die zu Migration anreizen. Oder zur täglichen oder wöchentlichen Pendelei. So ist es auch die Migration von außen nicht in erster Linie Armutsmigration. Was Rumänen, Bulgaren, Polen und Menschen aus anderen Ländern mit geringerem Lohn- und Lebenshaltungsniveau nach Deutschland zieht, ist Arbeit. Sie kommen wegen der Löhne, nicht wegen des Kindergeldes.

Ein Prozent der Gesamtsumme

Diesen Leuten, die ohnehin nicht zu den Großverdienern gehören und oft Jobs machen, die Deutsche nicht erledigen wollen, einige hundert Euro im Jahr oder ein bisschen mehr abknapsen zu wollen, steht einem Land nicht gut an, das im Wohlstand lebt und daher attraktiv ist. Im Übrigen: Das Geld, das man spart, wenn man Rumänen und Bulgaren nur noch die Hälfte für ihre im Ausland lebenden Kinder zahlen würde (es sind derzeit etwa 25 500), müsste man zum Teil in ein höheres Kindergeld für jene stecken, deren Kinder in Ländern mit höheren Lebenshaltungskosten wohnen – das sind knapp 28 000 Fälle. Etwa ein Prozent der gesamten Kindergeldzahlungen fließt ins Ausland. Bei einer Indexierung wären es vielleicht 0,7 Prozent. Die Forderung ist einfach nur schäbig.

Und damit auch hier kein Missverständnis aufkommt: Wenn Migranten das deutsche Sozialsystem missbrauchen (oder sich dazu hergeben, Missbrauch mitzumachen), dann muss das verfolgt werden. Die meisten, das ist jedenfalls die Erkenntnis der Behörden, die damit zu tun haben, tun das nicht.

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