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Kanzlerkandidat Martin Schulz im Kreis der SPD-Führung.

© John MacDougall/AFP

Debatte um Steuerpolitik: Wen will die SPD eigentlich entlasten?

Die Sozialdemokraten wollen kleine und mittlere Einkommen bei der Steuer entlasten. So steht es im Entwurf für das Wahlprogramm. Doch wie weit reicht das Vorhaben in die Mitte hinein?

„Wir entlasten Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen“ – so steht es im Entwurf des Programms der SPD, mit dem Kanzlerkandidat Martin Schulz in den Bundestagswahlkampf ziehen will. Die Mehrheit der Arbeitnehmer solle „mehr Netto vom Brutto“ haben. Vor allem diejenigen sollen entlastet werden, „die jeden Euro zweimal umdrehen müssen“. Der Abschnitt zur Steuerpolitik nimmt allerdings nur zwei der mehr als 60 Seiten ein. In die Details geht er nicht. Es ist mehr eine Absichtserklärung als ein Regierungsprogramm, was bisher vorliegt. Zu den Absichten gehört, dass das Ehegattensplitting ein Familiensplitting treten soll, womit Kinder steuerlich noch stärker relevant werden sollen als bisher. Allerdings sollen Partner in schon bestehenden Ehen wählen können, welches Splitting sie vom Finanzamt anwenden lassen wollen. „Besonders vermögende Bürgerinnen und Bürger“ sollen stärker belastet werden, dafür wird eine „umfassende Erbschaftsteuerreform“ in Aussicht gestellt. Die Abgeltungstreuer auf Kapitaleinkommen soll fallen, eine Finanztransaktionsteuer wird angekündigt.

Von einer umfassenden Einkommensteuerreform ist nicht die Rede. Dass die möglicherweise gar nicht geplant ist, darauf deutet ein Satz im Entwurf hin, etwas versteckt auf Seite 27: „Wir lehnen pauschale Steuersenkungen, in denen Spitzenverdienerinnen und -verdiener wie auch Menschen mit großen Vermögen entlastet werden, ab.“ Was zu der Frage führt: Wer verdient eigentlich spitze? Und: Wie passt das Modell einer Einkommensteuerreform in dieses Wahlprogramm, das der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil am Dienstag vorgestellt hatte – unter der Überschrift: „Deutliche Entlastungen für kleine und mittlere Einkommen.“

Nach Weils Modell werden Bruttoeinkommen bis 112000 Euro bei Alleinstehenden und bis 210000 Euro bei Verheirateten entlastet. Der SPD-Landeschef kommt dazu, indem er den Progressionsverlauf bei der Einkommensteuer deutlich abflacht – also bei allen Einkommen bis zu den genannten Summen die Steuerlast senkt, darüber aber über höhere Steuersätze etwas anhebt. Das Entlastungsvolumen gibt Weil mit zehn Milliarden Euro an. Durch die höheren Steuern ganz oben wird das allerdings nicht kompensiert.

Bei Stephan Weil reicht Mitte weit nach oben

Weil ist mit solchen Vorstellungen nicht allein. Auch die Vorschläge der Linkspartei und des Deutschen Gewerkschaftsbundes sehen Entlastungen vor, die weit hinauf reichen – sie erfassen 95 Prozent der verdienenden Bevölkerung. Das sind nach einer Aufstellung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zu versteuernde Einkommen (also nach Abzug von Freibeträgen) bis zu knapp 74000 Euro. Weil geht somit noch ein Stück weiter in die Gutverdienerränge. Die beiden Vorschläge aus der Union – das Modell des bayerischen Finanzminiusers Markus Söder und das der CDU-Mittelständler – entlasten sogar die obersten Topverdiener.

Das aber will die SPD offenkundig nicht. Doch was sind kleine und mittlere Einkommen? Kann man zum Beispiel als breite Mitte all jene Einkommen bezeichnen, die nicht zu den unteren 20 Prozent und nicht zu den oberen 20 Prozent gehören? Demnach, nimmt man die Zahlen des DIW, läge die untere Grenze der Mitte bei einem zu versteuernden Einkommen von 7500 Euro, die Obergrenze bei gut 41000 Euro. Selbst wenn man im Schnitt noch einige Prozent draufschlägt, um zum Bruttoeinkommen zu gelangen – die untere Grenze würden die meisten Bürger wohl als geringes Einkommen bewerten, während diejenigen, die über 41000 Euro liegen, sich kaum als Gutverdiener jenseits der Mitte empfinden. Denn gefühlt ist Mitte viel weiter oben.

Durchschnitt im oberen Drittel

Die gewerkschaftliche Hans-Böckler-Stiftung hat am Mittwoch ebenfalls einige Zahlen mitgeteilt. Deren Ökonomen halten es für aussagefähiger, wenn man nicht alle Einkommensbezieher nimmt – also auch Minijobber, jobbende Studenten oder Rentner -, sondern Vollzeitverdienste. Dann liegt das Durchschnittseinkommen brutto bei knapp 50.000 Euro. Allerdings ziehen das die Topverdiener ziemlich nach oben. Das Medianeinkommen – also der Mittelwert aller Verdiener – liegt bei knapp 42000 Euro. Der Durchschnittswert liegt laut Böckler-Stiftung schon im oberen Drittel der Einkommensverteilung.  Sind das also die Werte, an denen sich die SPD orientiert? Wäre es so, dann darf der obere Bereich der gefühlten Mitte durch die SPD keine Entlastung erwarten.

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