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© dpa

Demonstranten vor Gericht: Paukenschlag zum Prozessauftakt in Iran

Trotz der internationalen Beschwörungen scheint das iranische Regime den ersten Prozess gegen Teilnehmer der Protestdemonstrationen nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl zu einem Schauprozess machen zu wollen. Am Samstag begann das Verfahren gegen Dutzende Reformer vor einem Teheraner Gericht - offensichtlich mit einem Paukenschlag.

Berlin - Trotz der internationalen Beschwörungen scheint das iranische Regime den ersten Prozess gegen Teilnehmer der Protestdemonstrationen nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl vom 12. Juni zu einem Schauprozess machen zu wollen. Am Samstag begann der Prozess gegen Dutzende Reformer vor einem Teheraner Gericht offensichtlich mit einem Paukenschlag. Der als „bloggender Mullah“ bekannte Geistliche und ehemalige Vize- Präsident des Iran, Mohammed Ali Abtahi, soll nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Fars erklärt haben: „Die angebliche Wahlfälschung im Iran war eine Lüge, die verbreitet wurde, um Unruhen zu stiften, damit der Iran wie Afghanistan oder der Irak wird.“ Es sei „falsch“ von ihm gewesen, an den Demonstrationen teilzunehmen, wird Abtahi bei Fars zitiert.

Der liberale Geistliche, der von 2001 bis 2004 einer der Stellvertreter von Reformpräsident Mohammed Chatami war, wurde am 16. Juni festgenommen. In seinem letzten Blogeintrag vom 13. Juni, dem Tag nach der Wahl, hatte der streitbare Abtahi noch erklärt, die Verkündung des angeblichen Wahlsiegs von Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad sei „mehr als Betrug. Manche sagen, es sei ein Staatsstreich“. Abtahi, der zusammen mit dem unterlegenen Kandidaten Mehdi Karubi Führungsmitglied der Vereinigung kämpferischer Geistlicher ist, sprach in dem Eintrag von einem „offensichtlichen Schwindel“. „Es war ein Riesenschwindel“, schreibt er in seinem Blog. „Die Wahlen waren so gut geplant“, dass einerseits eine neue Rekordwahlbeteiligung zustande kam und gleichzeitig die Gegner Ahmadinedschads durch geringe Stimmenzahlen „zerstört“ würden. Abtahi war einer der Berater Karubis, der nach offiziellen Angaben nur 0,85 Prozent der Stimmen erhalten haben soll. In seinem Blog schreibt Abtahi, diese Zahl sei Karubi zugeteilt worden, obwohl ihm eine „hohe Stimmenzahl sicher gewesen ist“. Die Wahlnacht sei „schockierend und bitter“ gewesen.

Der 51-jährige Geistliche gehört zu der ersten Gruppe von Reformern, die wegen „Aufruhr, Angriffen auf die nationale Sicherheit“ und Konspiration gegen das herrschende System vor Gericht gestellt werden. Darunter sind andere Prominente wie der Führer der größten Reformpartei „Islamische Partizipationsfront“, Mohsen Mirdamadi, der frühere Industrieminister und Vize-Parlamentssprecher Behzad Nabavi und der stellvertretende Außenminister unter Chatami, Mohsen Aminzadeh. Die unabhängige Berichterstattung aus dem Iran und über den Prozess ist stark eingeschränkt. Nach Angaben der staatlichen Agentur Fars drohen den Angeklagten bis zu fünf Jahren Gefängnis. Sollte ihnen vorgeworfen werden, „Mohareb“ zu sein, also Taten gegen Gott begangen zu haben, könnte ihnen gar die Todesstrafe drohen.

In den vergangenen Tagen waren die Hardliner unter dem Druck des eigenen Lagers etwas zurückgerudert. So hatte der Oberste Religionsführer Ali Chamenei das Gefängnis Kahrizak geschlossen, in dem mindestens drei Inhaftierte, darunter der Sohn des Wahlkampfleiters von Kandidat Mohsen Rezai, gestorben waren. 140 weitere Reformanhänger wurden freigelassen. Selbst in regimetreuen Publikationen wie der Zeitung „Islamische Republik“ wurde am Freitag gefordert, die Verantwortlichen für den Tod der inhaftierten Demonstranten zur Verantwortung zu ziehen. Der These des Regimes, dahinter stünden „ausländische Mächte“, erteilte das konservative Blatt eine Abfuhr. Es erinnerte daran, dass Gefangene im Islam „gutmütig und mit Gnade“ behandelt werden müssten. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass auch konservative Kreise, die für sich die Einhaltung islamischer Moralvorstellungen reklamieren, mit der brutalen Vorgehensweise nicht einverstanden sind.

Doch die offiziellen Verlautbarungen zum Prozess gegen Abtahi und andere Reformer lassen Zweifel zu, ob das Regime Milde walten lassen will. Angesichts von Abtahis Vorgeschichte ist es fraglich, ob es Aussagen in dieser Form gegeben hat oder wie sie zustande kamen. Eines Tages wird man die Wahrheit vielleicht auf der Website des internetfreudigen Mullahs nachlesen können. mit AFP

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