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Blick auf Großrückerswalde in Sachsen

© dpa

Der nette Nazi aus dem Erzgebirge: NPD-Gemeinderat in Sachsen tritt für die CDU an

Im Erzgebirge kandidiert ein NPD-Gemeinderat für die CDU. In den Landesparteizentralen in Dresden sorgt das für Aufsehen, auch bei der Union. Deren Generalsekretär spricht von einer Einzelfallentscheidung.

Von Matthias Meisner

Als „Überraschung“ machte es die „Freie Presse“ vergangene Woche in ihrer Lokalausgabe publik: In Großrückerswalde, einer 3500-Einwohner-Gemeinde im Erzgebirge, kandidiert bei der Kommunalwahl am 25. Mai ein NPD-Gemeinderat auf der CDU-Liste. Was nun echt überraschend ist: Sachsen hat seit Jahren Probleme mit der hohen NPD-Präsenz. Die Partei ist seit zwei Wahlperioden im Landtag vertreten, zuletzt kam sie 2009 auf 5,6 Prozent. Wäre nicht zu erwarten gewesen, dass die Union sich ein Aussteigerprogramm für einen Funktionär verkneift, das in der Öffentlichkeit nur schwer zu vermitteln ist?

Doch die örtlichen Christdemokraten sind – angeblich einmütig – stolz auf ihren neuen Kandidaten Sandro Zießler, einen 41 Jahre alten Kraftfahrzeugmechaniker, und auf ihre Aktion. „Herr Zießler hat nie rechtsgerichtete oder menschenverachtende Gedanken geäußert“, sagt Ortsbürgermeister Jörg Stephan (CDU). „Wir haben gemerkt, dass der mit der NPD nichts am Hut hat.“ Ähnlich argumentierte in der „Freien Presse“ auch der Chef des CDU-Ortsverbandes, Karl-Heinz Schreiter: „Man sollte solche Leute integrieren und nicht ausgrenzen.“ Auf Tagesspiegel-Anfrage wollte sich Schreiter am Montag nicht äußern. Knapp betonte er nur, dass er „alles in Ordnung“ finde. Gibt es Diskussionen, ob der Kandidat von der Liste gestrichen werden soll? „Ach, i wo. Die Messe ist gelesen“, erklärt der CDU-Chef.

„Aus Protest“ NPD-Kandidat geworden

In der Lokalpresse hatte sich Zießler – sein Mandat als NPD-Gemeindevertreter hat er noch inne – „zu einigen Dingen“ im NPD-Programm bekannt. Er sei stolz auf sein Land, sehe einen Zusammenhang zwischen der Öffnung der EU-Grenzen und einem Anstieg der Kriminalität. NPD-Kandidat sei er „aus Protest“ geworden, weil andere Parteien viele Sorgen der Menschen nicht ansprächen.

Scharfe Kritik gibt es von der Opposition in Sachsen. SPD-Landeschef Martin Dulig sagte dem Tagesspiegel: „Es stellt sich schon die Frage, ob jemand ohne Denkpause von einer rechtsextremen zu einer demokratischen Partei wechseln kann und dann auch noch ein politisches Amt ausüben sollte. Es ist fraglich, ob die Läuterung im Kopf tatsächlich ernst gemeint ist.“ Die CDU sei „gut beraten hier sehr genau aufzupassen, dass nicht ein Wolf im Schafspelz bei ihr unterkommt“. Die Landes-Grünen warfen dem Kommunalpolitiker Zießler vor, er stehe zu „Versatzstücken“ der NPD-Ziele und verharmlose so die „völkisch-nationale, rassistische und antisemitische, demokratiefeindliche Ideologie" der rechtsextremistischen Partei. An die Landes-CDU richteten die Grünen die frage: "Ist es eine politische Strategie der sächsischen CDU, ihre Reihen politisch um Meinungsbilder aus dem Umfeld der NPD kritisch zu erweitern oder hat sie eine Art politisches NPD-Aussteigerprogramm entwickelt, ohne die Kriterien für ein Engagement für und in einer demokratischen Partei klar festzulegen?"

Die Landes-CDU reagierte am Montag mit einer abgewogenen Stellungnahme. "Die Nachricht hat auch mich aufhorchen lassen", gab Generalsekretär Michael Kretschmer auf Tagesspiegel-Anfrage zu. Er erinnerte daran, dass die sächsische Union in den vergangenen Jahren den "Kampf gegen die Rechtsextremisten entschieden geführt" und auch das neue NPD-Verbotsverfahren "maßgeblich vorangetrieben" habe. Die Kandidatur des NPD-Gemeindevertreters in Großrückerswalde auf der CDU-Liste wollte er dennoch nicht ausdrücklich als falsch kritisieren. Zum einen sei der Mann kein NPD-Mitglied gewesen. Zum anderen müsse die Entscheidung im Kontext mit dem auch dort sichtbaren "Zerfall der NPD" betrachtet werden. Kretschmer: "Solche Entscheidungen können immer nur im Einzelfall und unter genauer Kenntnis der jeweiligen Person getroffen werden."

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