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Rolf Mützenich, Fraktionsvorsitzender der SPD, spricht während der 157. Sitzung des Bundestages.

© dpa/Jonathan Penschek

„Der widerlichste deutsche Politiker“: Melnyk beleidigt Mützenich wegen dessen Äußerung zum Ukraine-Krieg

Nach seiner Äußerung zu einem möglichen Einfrieren des Ukraine-Kriegs steht SPD-Fraktionschef Mützenich massiv in der Kritik. Der frühere ukrainische Botschafter in Berlin vergreift sich im Ton.

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Der frühere Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk, hat SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich nach dessen Äußerungen zu einem möglichen Einfrieren des Kriegs beleidigt. „Dieser Typ war und bleibt der widerlichste deutsche Politiker. Für immer und ewig“, schrieb der Diplomat, der Kiew inzwischen in Brasilien vertritt, am Freitag auf X.

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SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte zuvor die breite Kritik an seinen Äußerungen zurückgewiesen. Er habe sich am Donnerstag im Bundestag „klar für die Unterstützung der Ukraine, auch mit Waffen und Munition, ausgesprochen“, sagte Mützenich der Düsseldorfer „Rheinischen Post“. Darüber hinaus habe er, wie viele vor ihm, „angeregt, nicht nur über Militärhilfen, sondern auch über die Bedingungen für ein mögliches Kriegsende nachzudenken“.

Mützenich betonte zugleich: „Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen. Die staatliche Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine ist unser klares Ziel.

Der SPD-Politiker hatte in der Bundestagsdebatte über den Taurus-Antrag der CDU/CSU auf die umfangreiche deutsche Unterstützung mit Militärgütern, humanitärer Hilfe und bei der Aufnahme von Flüchtlingen hingewiesen. Zugleich sagte er, es müsse damit umgegangen werden, dass viele Länder außerhalb Europas einen anderen Blick auf diesen Krieg hätten. Daher müsse die Frage gestellt werden, „wie wir diese Länder überzeugen können, uns in Europa stärker von dieser Kriegsfessel auch zu befreien“.

Mützenich fuhr fort mit einer Frage, die nach seinen Worten manchmal im Bundestag als „Schandfleck“ bezeichnet werde. Er sagte wörtlich: „Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?“ Gehe es „nicht auch politisch um diese Fragen?“

In der „Rheinischen Post“ betonte der SPD-Fraktionsvorsitzende, er rede „keinesfalls einer Preisgabe der völkerrechtswidrig besetzten Gebiete im Osten der Ukraine und der Krim das Wort“. Über einen Waffenstillstand und ein Einfrieren der Kämpfe könne nur die ukrainische Regierung entscheiden. Er fügte zugleich hinzu: „Dies enthebt uns nicht von der Verantwortung, auch über Wege und Perspektiven für die Zeit nach dem Ende des Krieges nachzudenken.“

Er verwies darauf, dass weltweit „viele territoriale Konflikte, “die mit militärischer, einseitiger Gewalt begonnen und geführt wurden, bis heute 'eingefroren'„ seien. “Auch in diesen Fällen, beispielsweise Zypern, Südossetien, Transnistrien und Korea, setzen wir uns für die Wiederherstellung der territorialen Integrität, Unversehrtheit und einen endgültigen Friedensschluss ein.„

Widerspruch aus dem Auswärtigen Amt

Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte auf die Frage nach einer Einschätzung der Mützenich-Rede im Bundestag, Äußerungen aus dem parlamentarischen Raum würden von Regierungsseite nicht bewertet. Er betonte zugleich, Deutschland unterstütze die Ukraine „bei der Verteidigung gegen den russischen Aggressor mit allem, was wir verantworten können“. Hebestreit fügte hinzu: „Das steht.“

Ein Sprecher des Auswärtigen Amts verwies darauf, dass Ministerin Annalena Baerbock (Grüne) bereits im Dezember gesagt habe, ein Einfrieren des Konflikts würde „die Gewaltherrschaft Putins in der Ukraine zementieren“. Russlands Krieg im Osten der Ukraine habe schon 2014 begonnen. Alle Versuche, Lösungen zu finden, seien da schon von Russland torpediert worden. Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sei es damals nicht um Frieden gegangen, „sondern um die Vorbereitung dieses brutalen Angriffskriegs“.

Hofreiter wirft SPD und Mützenich Naivität vor

Grünen-Außenpolitiker Anton Hofreiter fand hingegen deutliche Worte. „Ich glaube, was die SPD in ihrer Naivität nicht verstanden hat, ist, dass zum Verhandeln zwei dazugehören, nämlich nicht nur das Opfer, sondern auch der Aggressor muss bereit sein zu verhandeln“, sagte Hofreiter am Freitag „Welt TV“.

Er warf Mützenich vor, dass mit einer Strategie, die auf ein Einfrieren des Konflikts abzielt, die Chancen auf Verhandlungen sogar untergraben würden. Denn damit ermutige Mützenich Putin, „den Krieg noch weiter zu eskalieren“. Es sei ein klares Zeichen von Schwäche. „Damit erreicht er das glatte Gegenteil von dem, was er behauptet, erreichen zu wollen, nämlich den Krieg zu beenden.“

Anton Hofreiter (Die Grünen) übt Kritik an Mützenichs Aussage und der SPD.

© dpa/Jan Woitas

Hofreiter warnte Mützenich, Deutschland mit seinen Aussagen in der westlichen Welt zu isolieren. Sie seien gefährlich für die Sicherheit und den Frieden innerhalb der Europäischen Union und der NATO. „Alle unsere Verbündeten um uns herum sehen diese Strategie des Appeasement als gefährlich an, weil sie auch gefährlich ist. Und man muss sich darüber im Klaren sein: Solche Aussagen werden im Kreml als Aufforderung empfunden, den Krieg auszuweiten und weitere Länder anzugreifen“, sagte er „Welt TV“ weiter.

Dabei, so Hofreiter, sei das Ansehen Deutschlands in der Welt und in Europa durch die prorussische Politik der Vergangenheit ohnehin beschädigt. Und daran habe die SPD ihren Anteil. Er nannte beispielhaft Nordstream 2 und das Agieren Gerhard Schröders. Die grüne Außenministerin Annalena Baerbock arbeite daran, den Vertrauensverlust auszugleichen. „Und all das reißen Mützenich und Scholz wieder ein. Unsere Verbündeten sind entsetzt.“

Der Grünen-Politiker empfiehlt Scholz und Mützenich, sich an Ländern zu orientieren, die größere außenpolitische Erfahrungen haben - etwa Großbritannien und Frankreich oder den Ländern des Baltikums oder Polen, die näher an Russland dran sind.

Lang sieht einen „Rückfall in die alte Russlandpolitik“

Ähnlich scharf äußerte sich die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang. Die Rede Mützenichs nannte sie gegenüber „Welt TV“ einen „Rückfall in die alte Russlandpolitik der Sozialdemokratie“. Sie sei, heißt es weiter, davon ausgegangen, die SPD sei von ihrer „oftmals naiven Appeasementpolitik gegenüber Russland“ abgerückt. Nun aber müsse die SPD „erst mal für sich klären, was da eigentlich ihre Linie“ sei.

Ricarda Lang, Bundesvorsitzende (Bündnis 90/Die Grünen) sieht bei der SPD einen Rückfall in die „naive Appeasementpolitik gegenüber Russland“.

© dpa/Carsten Koall

Denn klar sie auch, „dass ein Einfrieren dieses Konfliktes am Ende zu unfassbarem Leid der vielen Menschen in diesen besetzten Territorien führen würde“, so Lang. Sie setze sich für mehr Unterstützung für die Ukraine ein, weil sie Frieden wolle. „Eine Welt, in der Putin in der Ukraine gewinnt, ist eine Welt, wo er und andere autoritäre Diktatoren lernen, dass sie Grenzen verschieben können und damit durchkommen“, sagte Lang.

Der FDP-Vorsitzende und Bundesfinanzminister Christian Lindner sieht in den Äußerungen Mützenichs bereits SPD-Wahlkampfmanöver und einen Missbrauch der Debatte um eine Lieferung des Marschflugkörpers Taurus an die Ukraine. „Fragen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Existenz der Demokratie in der Ukraine dürfen nicht zum Gegenstand von Vorwahlkampf werden, wie es der Vorsitzende der SPD-Fraktion versucht hat“, sagte Lindner in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (F.A.S.).

SPD-Chefin Saskia Esken nahm Fraktionschef Rolf Mützenich hingegen in Schutz. Sie wolle sehr deutlich machen, dass Mützenich und andere in der SPD zu einer uneingeschränkten Unterstützung der Ukraine stünden, sagte Esken am Freitag vor einer Klausurtagung des SPD-Parteivorstands in Berlin. „Und dass wir natürlich auch die Sehnsucht nach Frieden, die insbesondere Ukrainerinnen und Ukrainer hegen, teilen.“

Die SPD appelliere immer wieder auch an den russischen Präsidenten, zu Verhandlungen zurückzukehren und gemeinsam darüber zu sprechen, wie ein Frieden möglich sei. „Alleine die Bereitschaft auf russischer Seite ist nicht vorhanden und solange wird es notwendig sein, dass die Ukraine sich verteidigt“, betonte Esken. (AFP, Tsp)

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