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Tausende Flüchtlinge auf ihrem Marsch in Richtung USA, hier in Santa Rosa de Copan in Honduras.

© Jorge Cabrera/Reuters

Flüchtlingstreck aus Honduras: Die Angst im Gepäck

US-Präsident Trump nutzt den Marsch der Flüchtlinge aus Honduras im Wahlkampf – und ignoriert, dass gar nicht mehr Menschen als sonst unterwegs sind.

Zehn Tage vor den wichtigen Zwischenwahlen in den USA hat Präsident Donald Trump offenbar sein Thema gefunden. Die Bilder des inzwischen rund 7000 Menschen umfassenden Flüchtlingstrecks, der aus Honduras kommend in Richtung der Vereinigten Staaten marschiert, machen Eindruck – auf die Fernsehsender, die den Marsch live begleiten, aber noch viel mehr auf besorgte Amerikaner, die fürchten, „überrannt“ zu werden. Dass das eine irrationale Furcht ist – die meisten der Flüchtlinge werden letztlich weder die USA erreichen, noch sind es insgesamt gesehen mehr Menschen, die derzeit versuchen, in die USA zu gelangen –, geht unter. Solche Fakten werden in der politisch aufgeladenen Stimmung kaum gehört.

Das Pentagon hatte am Donnerstag erklärt, rund 800 weitere Soldaten an der Grenze zu Mexiko zu stationieren. Die Ankündigung wurde von immer martialischer klingenden Twitterbotschaften des Präsidenten begleitet. Der Mitte Oktober in der Stadt San Pedro Sula gestartete Marsch der Migranten sei ein „nationaler Notstand“ für sein Land. „Wir werden sie stoppen!“, twitterte Trump.

Dabei ist der Auftrag der Soldaten an der Grenze eher ein symbolischer. Die Soldaten sollen laut Pentagon die Grenzschutzbeamten lediglich logistisch unterstützen. Sie würden beispielsweise Zelte, Fahrzeuge und andere Ausrüstung bereitstellen, sagte ein Mitarbeiter. Unter den Soldaten sind demnach auch Ärzte und Ingenieure. Zur Übernahme von direkten Grenzschutzaufgaben sind die Soldaten ohnehin nicht berechtigt. Illegal über die Grenze kommende Menschen dürfen sie weder kontrollieren noch festnehmen. Möglich wäre dies nur mit einer Sondergenehmigung durch den Kongress, die nicht vorliegt. Und der Kongress tagt auch gar nicht mehr bis zu den Zwischenwahlen. Bereits im April hatte Trump rund 2000 Nationalgardisten an die US-Südgrenze geschickt. Die Nationalgarde ist eine Reservetruppe, die zu den Streitkräften gehört.

Trump steht vor den Kongresswahlen unter Druck

Bei den Kongresswahlen am 6. November muss Trumps Republikanische Partei Umfragen zufolge um die Mehrheit im Repräsentantenhaus fürchten, im Senat sieht es danach aus, als ob sie auch weiterhin die Mehrheit der Sitze stellen. Der Präsident versucht mit aller Macht, eine Niederlage abzuwenden, die es ihm schwerer machen würde, seine politischen Pläne umzusetzen. Dass der Kongress dann etwa noch seine im Wahlkampf angekündigte Mauer finanzieren würde, ist unwahrscheinlich. Selbst unter den derzeitigen Machtverhältnissen ist in dieser Frage kaum etwas geschehen. Daher macht Trump die Opposition für den angeblichen Notstand an der Südgrenze verantwortlich: Die „von den Demokraten inspirierten Gesetze machen es schwer für uns, Menschen an der Grenze zu stoppen“, twitterte er.

Der Präsident erweckt den Eindruck, als habe die illegale Migration dramatisch zugenommen. Das Gegenteil sei der Fall, sagt Pia Orrenius, Chefvolkswirtin bei der regionalen Notenbank von Dallas im Grenzstaat Texas. „Die illegale Einwanderung an der Südgrenze hatte im Jahr 2000 ihren Höhepunkt und ist seitdem gesunken“, sagt Orrenius, die seit Jahren zu den wirtschaftlichen Folgen von Einwanderung und zum demografischen Wandel forscht. Derzeit würden so wenige Migranten an der Südgrenze aufgegriffen wie seit den 1970er Jahren nicht mehr. Auch das Argument von Trump, mit den Migranten kämen immer mehr Gewalt und Verbrechen ins Land, widerlegt sie. Die Kriminalitätsstatistik zeige, dass Eigentums- und Gewaltdelikte in amerikanischen Grenzstädten unter dem nationalen Durchschnitt liegen. Trump ignoriert solche Argumente, er setzt darauf, dass sein vermeintlich hartes Durchgreifen an der Grenze bei den Wählern Eindruck macht, die sich um ihre Sicherheit sorgen.

Honduras zählt zu den Ländern mit den meisten Gewalttaten

Dabei fliehen die Männer, Frauen und Kinder aus Honduras, zu denen laut Trump „Verbrecher und unbekannte Menschen aus dem Nahen Osten“ gehören sollen, selbst vor Gewalt, Armut und Korruption in ihrer Heimat. Honduras gehört wegen der brutalen Jugendbanden und des Drogenhandels zu den Ländern mit den weltweit höchsten Gewalttaten. Zwei Drittel der neun Millionen Einwohner leben in Armut. Nach Einschätzung des UN- Flüchtlingswerks UNHCR können viele der derzeit marschierenden Flüchtlinge Asyl in den USA beantragen. Der Großteil von ihnen hat inzwischen Mexiko erreicht. Da die meisten zu Fuß unterwegs sind, wird es aber noch Wochen dauern, bis sie an die 3000 Kilometer entfernte US-Grenze gelangen. In Guatemala hat sich derweil bereits ein weiterer Flüchtlingszug gebildet.

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