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Abrechnung: Der FDP-Fraktionschef in Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki (re.), zeichnet ein desolates Bild seiner Partei und vergleicht die Situation mit der „Spätphase der DDR“. Die Äußerungen bringen Parteichef Guido Westerwelle in Zugzwang.

© Bodo Marks/dpa

FDP: "Die Auflösung hat schon begonnen"

"Die Situation, in der wir uns befinden, erinnert mich fatal an die Spätphase der DDR." Wolfgang Kubicki geht mit seiner FDP schonungslos ins Gericht und greift Parteichef Guido Westerwelle an.

Von Hans Monath

Berlin - Mit teils schrägen, teils witzigen Interviews sorgt der schleswig-holsteinische FDP-Politiker Wolfgang Kubicki in regelmäßigen Abständen dafür, dass sein Ruf als Radikalrhetoriker und ausgebuffter Politzocker auch im Rest der Republik nicht in Vergessenheit gerät. Die Provokationen des Kieler Landtagsfraktionschefs tut Parteichef Guido Westerwelle dann gern nach dem Motto „Ach, der schon wieder“ als skurrile und nicht ernst zu nehmende Einwürfe eines geltungssüchtigen Parteifreundes ab.

Die Wirkung der jüngsten Wortmeldung Kubickis dürfte auch Westerwelles Umarmungsstrategie nicht mehr dämpfen können. Das Bundesvorstandsmitglied aus dem Norden nämlich zeichnet nun ein desolates Bild seiner eigenen Partei und macht dafür auch Westerwelle persönlich verantwortlich. „Die Situation, in der wir uns befinden, erinnert mich fatal an die Spätphase der DDR. Die ist irgendwann implodiert“, sagte Kubicki dem „Spiegel“. Es könne passieren, „dass auch die FDP in sich zusammenfällt“. Die liberalen Regierungsmitglieder in Berlin aber nähmen den Zustand der Partei kaum wahr. Parteichef Westerwelle habe sich vielmehr abgekapselt.

Zwei Gründe sprechen dagegen, dass die FDP-Führung nach dem schrillen Warnruf aus Kiel einfach zur Tagesordnung übergehen kann: Viele Mandatsträger und Abgeordnete machen an der Basis ähnliche Erfahrungen wie Kubicki und sind ähnlich unzufrieden und entmutigt. Und nach einer Phase der Konsolidierung hat die sogenannte Maulwurfaffäre um den Büroleiter des Parteichefs die FDP in der Fremd- und Selbstwahrnehmung wieder weit zurückgeworfen. Über das schlechte Management Westerwelles im Umgang mit dem Informanten der US-Botschaft waren viele Liberale deshalb enttäuscht oder gar verbittert.

„An der Basis hat die Auflösung schon begonnen“, urteilte Kubicki nun. Ähnliche Klagen hatten Kreisvorsitzende der Liberalen schon Ende Oktober bei einem Treffen mit der Parteiführung in Berlin vorgetragen. Austritte nehmen zu, einzelnen Landesverbänden gelingt es schon nicht mehr, genügend Kandidaten für Kommunalwahllisten aufzutreiben.

So groß war der Unmut etlicher Redner über die eigene Lage und die Parteiführung, dass Generalsekretär Christian Lindner die Parteifreunde schließlich vom Podium herab sogar vor „Selbstekel“ warnte. Der heftigen Kritik an seiner Person und Amtsführung begegnete Westerwelle damals mit dem Hinweis, auch jeder andere FDP-Parteichef werde vom politischen Gegner hart attackiert werden.

Doch nun ist die Stellung des Vizekanzlers in den eigenen Reihen noch weiter geschwächt. Dass er sich als Außenminister auch Erfolge erarbeitet hat, wird öffentlich kaum wahrgenommen. Die Maulwurfaffäre habe ihm „die Beine weggehauen“, sagt ein Liberaler, der ihn gut kennt: „Westerwelle kann gar nicht so viele Reisen unternehmen, wie nötig wären, um das wieder gut zu machen.“

Gegen Kubicki wollte am Samstag zunächst weder der Generalsekretär noch ein FDP-Sprecher in den Ring steigen – offenbar, um die Wortmeldung des Störenfrieds nicht noch aufzuwerten. Die FDP- Führung unterstellte dem Landespolitiker dann indirekt parteischädigendes Verhalten. „Wer Verantwortung in der FDP trägt, der sollte seine Debattenbeiträge so konstruktiv anlegen, dass sie bei den Wahlen im nächsten Jahr helfen“, verlautete aus dem Thomas-Dehler-Haus.

Ausgerechnet der Mann, den sich viele Westerwelle-Kritiker zumindest als Übergangs-Parteivorsitzenden vorstellen können, griff Kubicki offen an und wies seine Kritik als haltlos zurück. „Manche können sich nur profilieren, wenn sie sich gegen die eigene Partei positionieren“, höhnte FDP-Vize Rainer Brüderle. „Nur meckern und selbst keine konkreten unhaltlichen Lösungsvorschläge machen, ist immer der einfachste Weg“, sagte der Wirtschaftsminister dem Handelsblatt.

Mit Spannung wartet die FDP nun darauf, ob Westerwelles beim Dreikönigstreffen im Januar das Rätsel lösen wird, ob er als Parteichef im Mai weitermachen will. Kritiker Kubicki erklärte in seinem Interview, zu Westerwelle gebe es keine Alternative. Manche Liberale sehen in diesem Bekenntnis zum Vizekanzler aber nur den Versuch, potenzielle Nachfolger nicht schon zu verbrennen.

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