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Der iranische Präsident Hassan Ruhani - hier bei einer Militärparade am 22. September 2015 - hat nach Ansicht von Human Rights Watch sein Versprechen, die Menschenrechte zu achten, nicht eingelöst.

© Atta Kenare/AFP

Menschenrechte im Iran: Die fensterlose Welt von Saeed Abedini

Eingezwängt und verfolgt - trotz der Zusagen im Rahmen des Atomabkommens hat sich die Menschenrechtslage im Iran weiter verschlechtert.

Saeed Abedinis Welt ist fensterlos, angsterfüllt und voller Qualen. Auf absehbare Zeit gibt es kein Entkommen für ihn. Er wird vermutlich noch lange Zeit in seiner Gefängniszelle verbringen müssen. Und sowohl unter Folter als auch Schikanen leiden. Denn ein iranisches Gericht hat Abedini 2013 zu acht Jahren Haft verurteilt – wegen „Gefährdung der nationalen Sicherheit“. Das Vergehen des 35-Jährigen: Er konvertierte als Muslim zum Christentum, wurde Pastor und ist damit nach Lesart des theokratischen Regimes vom „wahren Glauben“ abgefallen. Ein Staatsfeind, der für seinen „Frevel“ hart büßen soll. Es sei denn, er wird wieder Muslim.

Der Pastor gilt bei vielen Menschenrechtlern als das Gesicht der verfolgten Christen im Iran. „Die Bürger des Iran werden von ihrer Regierung in ein Scharia-Korsett gezwängt, das ihre Freiheit stranguliert“, sagt Martin Lessenthin. Betroffen davon seien nicht nur Christen, sondern zum Beispiel auch die Bahais oder Sufis, betont der Vorstandsprecher der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Die Unfreiheit beschränkt sich nach Lessenthins Erkenntnissen nicht nur auf die Religion. Jede Art von Opposition ziehe Repressalien nach sich. Wer offen Missstände benenne, müsse mit Übergriffen und Festnahmen rechnen. Frauen würden weiterhin diskriminiert, Homosexuellen drohe die Todesstrafe. „Weder das Atomabkommen noch der im Westen als moderat geltende Präsident Hassan Ruhani haben daran etwas geändert.“

Eine Einschätzung, die Human Rights Watch (HRW) und Amnesty International (AI) teilen. „Ruhani hat sein Versprechen, die Menschenrechte zu achten, offenkundig nicht erfüllt“, sagt HRW-Sprecher Wolfgang Büttner. Man kann es auch wie Dieter Karg formulieren, der bei AI für den Iran zuständig ist: Die außenpolitische Entspannung konnte der Staatschef durchsetzen, weil er die Innenpolitik den Hardlinern überließ.

Das zeigt sich laut Amnesty und Human Rights Watch nicht zuletzt bei der sprunghaft gestiegenen Zahl vollstreckter Todesurteile. Im Jahr 2014 hat es etwa 700 Hinrichtungen gegeben. Bis Ende des Jahres 2015 wird sogar mit bis zu 1000 Hinrichtungen gerechnet. Ein Großteil dieser Urteile soll wegen Drogendelikten verhängt worden sein. Unter den Hingerichteten waren allerdings auch Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten. Dies zeichnet nach den Worten von Said Boumedouha, Vize- Direktor des Amnesty-Programms für den Nahen Osten, ein „düsteres Bild einer staatlichen Maschinerie, die vorsätzliche, gerichtlich sanktionierte Tötungen in großem Maßstab ausführt“.

Die herrschenden Mullahs verbitten sich jede Einmischung in innere Angelegenheiten. Sehr empfindlich reagieren sie, wenn Iraner es wagen, dem Establishment Willkür vorzuwerfen und die Einhaltung von üblichen Mindeststandards einzufordern. Dabei habe Teheran zugesichert, die Grundrechte zu achten, sagt der IGFM-Vorstandssprecher. Wolfgang Büttner von Human Rights Watch beklagt, dass der Iran bislang jede Art von Kontrolle verhindert. „Den UN-Sonderberichterstattern beispielsweise wird kein Zugang gewährt.“

Die Staatengemeinschaft scheint das wenig zu kümmern. Zumindest bei den Verhandlungen über Irans Atomprogramm spielte die Achtung der Menschenrechte keine Rolle. Dass der Westen darauf nicht gedrungen habe, hält Martin Lessenthin für einen großen Fehler. Er wirft der Weltgemeinschaft falsche Rücksichtnahme und Blauäugigkeit vor. „Im Iran wird sich in absehbarer Zeit durch das Abkommen nichts ändern. Handel bringt keinen Wandel.“

Auch Experte Wolfgang Büttner fordert mehr Druck auf Teheran, gerade mit Blick auf das Abkommen. „Der Westen muss dem Iran klar machen: Bessere Beziehungen kann es nur geben, wenn die Menschenrechte geachtet werden.“ Einer wie Pastor Abedini, als Christ zum Staatsfeind erklärt und eingesperrt, kann davon nur träumen. In seiner Gefängnis-Welt geht es ums Überleben.

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