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Serge und Beate Klarsfeld.

© dpa/Christian Böhmer

Eine Ohrfeige für alle Nazis: Die Klarsfelds und ihre französische Auszeichnung in Berlin

Ein Lebenswerk, eine deutsch-französische Lebensgeschichte. Aus Anlass seines Staatsbesuchs würdigt Emmanuel Macron Beate und Serge Klarsfeld. Wer sind die beiden?

Was für ein Tag! Berlin, das Fest der Demokratie, das Grundgesetz ist 75 Jahre. Die Würde des Menschen ist unantastbar, sagt es. Und die Würde des Menschen zu wahren, ist aller Ehren wert – so für die Nazijäger Beate und Serge Klarsfeld.

Was für eine Genugtuung! Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zeichnet das Ehepaar Klarsfeld am Rande seines Staatsbesuchs in der französischen Botschaft am Pariser Platz in Berlin aus. Hohe und höchste Orden für die beiden, die verliehen werden nach Macrons Besuch des Denkmals für die ermordeten Juden Europas zusammen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Beate Auguste Künzel, so hieß die heute 85-Jährige früher, sie stammt aus Berlin. Als Au-pair kam Beate 1960 nach Paris, lernte Serge kennen, drei Jahre älter, Geschichtsstudent. Er, der jüdische Franzose, dessen Vater nach Auschwitz verschleppt und ermordet wurde, lehrte sie die deutsche Geschichte, den verbrecherischen Teil. Sie blieb. Eine gemeinsame Lebensgeschichte begann. Eine mit einem gemeinsamen Lebenswerk.

Was für eine Geschichte! Es ist das Jahr 1968, Studierende protestieren in Frankreich wie in Deutschland. Die Französin Klarsfeld beschimpft während einer Bundestagssitzung Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger von der CDU als „Nazi“ und „Verbrecher“. Dann, am Vormittag des 7. November, steigt sie auf dem West-Berliner Parteitag der CDU aufs Podium und ohrfeigt den Kanzler!

Ein Skandal, der sie berühmt gemacht hat. Im Schnellverfahren zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, wird die Haftstrafe aber nicht sofort vollstreckt, später auf vier Monate mit Bewährung verringert. Ihr Mann Serge ist immerhin inzwischen Rechtsanwalt.

Klarsfeld tut das, was sie wollte. Tut immer noch das, was sie will, gemeinsam mit Serge: Sie polarisiert, provoziert. Bis heute. Damals übrigens auch manche aus der 68er-Bewegung um Rudi Dutschke. Ist sie nicht vielleicht nur eine überspannte bourgeoise Frau aus Frankreich?

Die Anerkennung ihrer Arbeit hat lange gedauert – aber sie kommt. Im Jahr 2015 gibt es für beide das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, seinerzeit in Paris, in der deutschen Botschaft. Frankreichs Präsident François Hollande (bei dem Macron Minister war) hatte Beate Klarsfeld schon 2014 gewürdigt, da wurde sie „Kommandeurin der Ehrenlegion“. 2016 kam dann der Staat Israel und verlieh beiden in Würdigung ihrer Verdienste die Staatsbürgerschaft.

Was für Verdienste! Beate und Serge Klarsfeld sind weltbekannt als die, die weltweit etliche untergetauchte NS-Verbrecher aufspürten und vor Gericht brachten. Beide haben aber dazu auch unermüdlich das Schicksal der aus Frankreich deportierten und ermordeten 76.000 Juden dokumentiert. Serge hat ein Standardwerk zur Judenverfolgung in Frankreich geschrieben, „Vichy – Auschwitz“, das unter diesem Titel auch auf Deutsch erschienen ist.

Beider Klarsfelds größter Erfolg war die Enttarnung des früheren Lyoner Gestapo-Chefs Klaus Barbie, der „Schlächter von Lyon“ genannt wurde. Auch Alois Brunner fanden sie. Er war einer der größten Nazi-Schreibtischtäter nach Adolf Eichmann, dem SS-Mann und Vollstrecker des Holocaust. Den Brunner, der für die Razzia in Nizza verantwortlich war, bei der Serges Vater verschleppt wurde. Aber sie bekamen ihn nicht mehr aus Syrien, wo er untergetaucht war, nach Frankreich, wo er bereits zum Tode verurteilt war.

2012 stand Beate Klarsfeld übrigens noch einmal in Berlin im Blickpunkt: Da kam sie wieder aufs Podium, aber als Kandidatin der Linkspartei für das Amt der Bundespräsidentin. Joachim Gauck gewann.

Klarsfeld, der Name polarisiert, er provoziert, bis heute. 2017, vor der Stichwahl zwischen Macron und Rechtspopulistin Marine Le Pen, rief das Paar in ganzseitigen Anzeigen zu Macrons Wahl auf. Inzwischen sagen die Klarsfelds, sagt vor allem Serge: „Wir denken, dass der RN sich positiv entwickelt hat, vor allem mit Blick auf seine Haltung zu den Juden.“

Marine Le Pen hat sich von den antisemitischen Positionen ihres Vaters und Parteigründers Jean-Marie Le Pen losgesagt. Serge Klarsfeld glaubt ihr. Anders als der deutschen AfD. Die muss man „bekämpfen, sie ist antieuropäisch und antisemitisch“, sagt Beate. Die Organisation SOS Racisme wirf den beiden vor, zur „Banalisierung des Rechtsextremismus“ beizutragen.

Was für ein Tag! Emmanuel Macron wird Beate und Serge Klarsfeld trotzdem auszeichnen. In Berlin, im Beisein von Frank-Walter Steinmeier. Es geht doch um ein Lebenswerk und eine Lebensgeschichte. Ein Festtag der Demokratie.

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