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Werbung für Moskau. Das Plakat ruft zur Abstimmung am Sonntag auf. Die Aussage ist klar – und erinnert deutlich an die Propagandaformen aus tiefsten Sowjetzeiten.

© Reuters

Die Krim vor dem Referendum: Im Wechselbad der Geschichte

Die Halbinsel hat eine reiche und teils turbulente Vergangenheit. Lange gehörte die Region zu Russland – aber dann kam Nikita Chruschtschow.

„Es gab immer frisches Obst: Pfirsiche, Weintrauben, Melonen. Und mehrmals die Woche sogar Eis. Abends haben wir am Lagerfeuer gesessen und gesungen. Aber das Schönste waren der goldene Sand und das warme türkisblaue Meer.“ Swetlana Gawrilowa ist 62 und längst in Rente. Aber vom Pionierlager Artek auf der Krim schwärmt sie noch immer. Und nicht nur sie. Ein Ferienaufenthalt in Artek war zu kommunistischen Zeiten für viele Kinder – in der Sowjetunion, aber auch in den anderen Ostblockstaaten – eine Vorwegnahme der lichten Zukunft, deren Anbruch Vater Staat und Mutter Partei immer wieder vertagten.

Putjovka für gute Leistungen

Auch Arbeiter und Bauern rackerten sich ab für einen Urlaub auf der Krim. Flugticket und Putjovka – den Voucher für Kost und Logis im Ferienparadies – gab es nur für herausragende Leistungen an der Werkbank und auf dem Acker. Die Krim war die schönste Belohnung. Ihrem Zauber erlag schon Russlands Nationaldichter Alexander Puschkin, den der Gartenpalast der Krim-Khane zu seinem Versdrama „Die Fontäne von Bachtschissarai“ inspirierte. Um 1450 errichtet, gehört er zu den jüngeren Kulturdenkmälern. Denn die Perle des Schwarzen Meeres war bereits in der Antike besiedelt.

Und heiß umkämpft. Skythen, Griechen, Römer, Hunnen, Goten machten einander die Halbinsel streitig, später kamen die Tataren. Sie hatten dem Mongolenherrscher Dschingis Khan als Hilfstruppen gedient und errichteten, als dessen Weltreich zerfiel, auf der Krim 1430 ihr eigenes Reich. Ihre Herrscher führten den Titel Khan, mussten aber schon 1475 die Oberhoheit der Osmanen-Sultane anerkennen und diesen Tribut zahlen.

Potjomkin nimmt Krim in Besitz

Zwar erklärte sich die Krim 1774 für unabhängig von der Hohen Pforte, geriet aber zunehmend unter den Einfluss des Russischen Reiches, das sich vor allem Zugang zu einem ganzjährig eisfreien Meer mit Verbindung zu den Ozeanen verschaffen wollte. 1783 nahm Fürst Grigori Potjomkin, der Favorit von Katharina II., die Krim „von nun an und für alle Zeiten“ für Russland in Besitz. Zügig wurden das malerische Jalta zur Sommerresidenz der Zaren und das antike Sewastopol zum Hauptstützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte ausgebaut.

Voller Sorge verfolgten Frankreich und Großbritannien im 19. Jahrhundert den Aufstieg Russlands zur europäischen Großmacht. Und griffen daher aufseiten des Osmanischen Reiches – Russlands Erzrivale beim Gerangel um die Vorherrschaft im Schwarzen Meer und im Südkaukasus – in die Kampfhandlungen ein, nachdem der Sultan dem Zarenreich 1853 den Krieg erklärt hatte. Er dauerte mit Unterbrechungen rund drei Jahre. Russland konnte zwar die Krim halten, unterlag im Endergebnis jedoch militärisch und konnte nicht weiter auf türkische Kosten expandieren.

Bollwerk der Monarchisten

Im Bürgerkrieg, der nach der Oktoberrevolution ausbrach, war die Krim lange ein Bollwerk der Anhänger der 1917 gestürzten Monarchie. Erst nach der Niederlage des zarentreuen Generals Wrangel 1921 marschierte die Rote Armee ein. Obwohl von der Ukraine quasi umschlossen, wurde die Krim bei der Gründung der Sowjetunion 1922 als Autonome Republik eingegliedert. Einer der Gründe dafür war der Kriegshafen Sewastopol. Er hatte auch für die deutsche Wehrmacht hohe Bedeutung, die die Krim 1942 besetzte. Wegen der germanischen Krimgoten, die einst dort siedelten, hieß sie während der zweijährigen Okkupation Goten-Gau. Hitler wollte dort sogar massenweise Südtiroler ansiedeln, doch dazu kam es nicht. Tausende sowjetische Soldaten und Partisanen leisteten – teilweise in antiken Katakomben – erbitterten Widerstand.

Die Konferenz von Jalta

Anfang 1945 fand auf der Krim die Konferenz von Jalta statt: In der einstigen Zarenresidenz Liwadija einigten sich die Führer der Anti-Hitler-Koalition – Churchill, Roosevelt, Stalin – über die Teilung Deutschlands und über Einflusszonen in Europa nach Kriegsende. Im Machtgerangel nach Stalins Tod setzte Nikita Chruschtschow auf die Ukraine, die damals über die zahlenmäßig stärkste Parteiorganisation in der Sowjetunion verfügte. Und versprach, sollte er siegen, die Krim der Ukraine anzugliedern. 1954 löste er sein Wort ein. Die überwiegend russischsprachige Bevölkerung der Krim hasst ihn bis heute dafür und will beim Referendum am Sonntag die Schmach tilgen.

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