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Japanische Nationalisten marschieren am Samstag, dem 70. Jahrestag der Kapitulation Japans, in den umstrittenen Yasukui-Schrein ein. Dort wird der Toten der Kriege gedacht, allerdings auch 14 verurteilten japanischen Kriegsverbrechern.

© Franck Robichon/dpa

Zum 70. Jahrestag der Kapitulation Japans: Die Kunst der Entschuldigung

Eine Entschuldigung ist keine Entschuldigung. Japans Nachbarn kritisieren die Rede des japanischen Premiers Schinzo Abe. Denn sie kaufen dem Nachbarn seine "tiefe Reue" einfach nicht ab.

Eine Entschuldigung ist keine Entschuldigung – und zwar immer die gleiche. Japans Nachbarn, Südkorea und China, sind nicht beeindruckt von der Rede des japanischen Ministerpräsidenten Schinzo Abe 70 Jahre nach der Kapitulation des Landes am Ende des Zweiten Weltkriegs. Am Samstag hat der 81-jährige Kaiser Akihito zwar noch „tiefe Reue“ und „tiefe Selbstreflexion“ über die „Vergangenheit“ nachgeschoben. Für das Kaiserhaus war das eine Premiere. Aber die Wortwahl entspricht dem, was seit der Rede von Abes Vorgänger Tomiichi Murayama 1995 das äußerste ist, was japanische Spitzenpolitiker über die Rolle ihres Landes sagen.
Murayama sprach von „tiefer Reue“ und einer „von Herzen kommenden Entschuldigung“, wogegen wohl auch Südkorea und China nichts einzuwenden haben. Das Problem der Nachbarn ist, dass Japans Entschuldigungen unklar werden, wenn es darum geht, die zugrundeliegenden Taten zu benennen. Murayama sprach von „einer bestimmten Periode in der jüngeren Vergangenheit“. Zumindest nannte er die Besetzungen „koloniale Herrschaft und Aggression“. Er hatte einige Wochen zuvor Reue für die Zwangsprostitution von Tausenden Frauen als sogenannte Trostfrauen gezeigt. Diese Praxis, an der das japanische Militär beteiligt gewesen sei, habe „die Ehre und Würde der Frauen schwer befleckt“. Die Trostfrauen kamen in seiner 50-Jahresrede dann allerdings schon wieder nicht mehr vor.

Kaiser Akihito äußerte zum ersten Mal "tiefe Reue" und "tiefe Selbstreflexion".

© Kiyoshi Ota/dpa

Vor kurzem hat der südkoreanische Rhetorikforscher Sangchul Lee bei einem Kongress in Tübingen diese Wolkigkeit in der Beschreibung analysiert. Wie Jane Yamazaki schon gut zehn Jahre vorher, beklagt auch Sangchul Lee, dass in japanischen Entschuldigungen lediglich von „der Vergangenheit“, einer „unglücklichen Vergangenheit“, „vergangenen Taten“ die Rede ist. Mit „kolonialer Herrschaft“ oder „Akten der Aggression“, nicht „Aggressionskrieg“, sind schon die explizitesten Formulierungen zusammengetragen, die von weniger konservativen Premierministern verwendet wurden.

In Südkorea ist der Kapitulationstag Japans der 70. Jahrestag seiner Unabhängigkeit nach Jahrzehnten der kolonialen Herrschaft Japans. Südkoreas Präsidentin Park Geun Hye kritisierte die Rede des japanischen Premiers Schinzo Abe als "unbefriedigend".

© Kim Min Hee/dpa

Schinzo Abe verschanzte sich in seiner Rede genau im Kanon der zuvor schon verwendeten Formulierungen – und fügte auch keine eigene hinzu. Das ist es, was die Nachbarn erbittert. Denn sie nehmen den Entschuldigern ihre „tiefe Reue“ und ihre „von Herzen kommende Entschuldigung“ nicht ab, solange sie den historischen Fakten weiter ausweichen.
Mit Blick auf die Kriegsgefangenen aus den USA, Australien und Kanada ist die japanische Regierung seit rund fünf Jahren dazu übergegangen, die betagten Männer und ihre Familien auf Staatskosten nach Japan einzuladen, und sich dann persönlich zu entschuldigen. Darauf und auf eine Entschädigung warten die noch lebenden ehemaligen „Trostfrauen“ in Südkorea bis heute vergeblich – dabei wäre der Weg zu ihnen nicht so weit.
Schinzo Abe hat am Freitag zudem gesagt, künftige Generationen sollten sich nicht weiter für die Taten ihrer Großeltern entschuldigen müssen. Ein Schlussstrich, noch bevor Japan einen „Weizsäcker-Moment“ erlebt hat, der den Kapitulationstag Deutschlands 1985 zum „Tag der Befreiung“ erklärte. Das ist es, was die Nachbarn wütend macht.

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