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Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Dienstag bei einer Sitzung des Lenkungsausschusses der deutschen Islamkonferenz in Berlin.

© Stefanie Loos/Reuters

Die Union und die Flüchtlingspolitik: De Maizières späte Rehabilitierung

Der Bundesinnenminister hatte, wie sich jetzt herausstellt, seine Pläne zur Begrenzung des Familiennachzugs von Syrern schon der Fraktion vorgestellt – und nicht im Stillen vorbereitet.

Von Robert Birnbaum

Mit dem Beenden von Chaostagen hat die Union im Moment kein Glück. Das CDU-Präsidium hat am Montag versucht, den Streit um den Familiennachzug für Syrer mit dem Auftrag an Innenminister Thomas de Maizière (CDU) beizulegen, darüber mit den Länder-Kollegen zur Einigung zu kommen. Die Gemüter beruhigt hat das nicht. Die Gegner von Angela Merkels Willkommenskurs wittern, dass der Vorgang de Maizière die Kanzlerin geschwächt hat, und sehen gute Zeiten für eine Attacke.

Deutlich geworden ist das am Montagabend in der Sitzung der CSU-Landesgruppe. Dass Innenpolitiker wie Hans-Peter Uhl oder der innenpolitische Sprecher der Gesamtfraktion, Stephan Mayer, sich für eine schärfere Gangart zur Begrenzung des Flüchtlingszustroms aussprachen, war nicht neu.

Doch Uhl fordert mittlerweile unumwunden, die deutschen Grenzen zu schließen. Auch gibt es im Zusammenhang mit der Statusprüfung der Syrer, wie Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt anderntags eingestehen musste, in der CSU inzwischen Leute, die selbst die Zurückweisung von syrischen Flüchtlingen nicht ausschließen, weil in dem Land ja keineswegs überall Bürgerkrieg herrsche. „Es gibt solche in unseren Reihen, die der Meinung sind“, sagt Hasselfeldt am Dienstag. „Ich bin das nicht.“ Solche Überlegungen wären ja auch imstande, eine Einigung mit der SPD in der Frage unmöglich zu machen, ob künftig auch bei Syrern wieder im Einzelfall geprüft wird, ob sie als Flüchtlinge gelten oder nur subsidiären Schutz erhalten. Wenn da die dritte Alternative – Zurückweisung, gar Rückführung – ins Spiel käme, könnte die SPD kaum mehr einlenken. Was die inzwischen indirekt tut: „Wir haben da keinen Gesprächsbedarf“, sagt Fraktionschef Thomas Oppermann – wie mit Syrern zu verfahren sei, das müssten jetzt die Innenminister von Bund und Ländern unter sich ausmachen.

Die zweite Front gegen Merkel richtet sich gegen ihren Kanzleramtschef Peter Altmaier. Der Flüchtlingskoordinator hatte den eigenen Innenminister öffentlich zurückgepfiffen und am Wochenende nachgelegt, er sei über dessen Vorpreschen bei der Einstufung von Syrern nicht informiert gewesen. Die Anhänger einer harten Linie deuten das in ihrem Sinne als Kampf zwischen zwei Schulen – hier de Maizière, der an sichtbaren Maßnahmen zur Begrenzung der Flüchtlingsmengen arbeite, dort Altmaier als Stimme der Willkommenskanzlerin.

Sie deuten es vor allem aber als Foul. Denn de Maizière hat seine Entscheidung keineswegs, wie es zunächst den Anschein hatte, im Stillen vorbereitet, sondern laut darüber geredet. Und zwar in Anwesenheit der Granden von CDU und CSU – in der Sitzung der Unionsfraktion vor einer Woche.

Hasselfeldt und Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer bestätigen das am Dienstag; der Minister habe seine Absicht erläutert, bei Syrern zur Einzelfallprüfung zurückzukehren. Die war im September 2014 wegen Arbeitsüberlastung der Flüchtlingsämter ausgesetzt worden. Es gibt allerdings zwei Versionen, was genau de Maizière gesagt hat. Hasselfeldt sagt, der Minister habe erklärt, dass die Rückkehr zur alten Praxis auch bei Syrern „angestrebt“ werde. Andere meinen sich zu erinnern, de Maizière habe von einer Änderung der Vorgehensweise ab „heute“ gesprochen.

Nun waren manche Abgeordnete aufmerksamer als andere – die Innenpolitiker der Fraktion waren über die Minister-Pläne seit einer internen Runde informiert. Außerdem stand in dieser Szene bis hin zum Beamtenapparat im Innenministerium stets außer Frage, dass eine Einschränkung des Familiennachzugs nur Sinn ergibt, wenn er die Syrer als größte Flüchtlingsgruppe mitbetrifft. Jedenfalls hätten Merkel und Seehofer nun Bescheid wissen können, und womöglich auch Koordinator Altmaier – falls er zu dem Zeitpunkt noch im Saal war. Auch dazu gibt es zweierlei Erinnerungen.

An diesem Dienstag sind zu Beginn der Fraktionssitzung weder Altmaier noch de Maizière zu sehen, auch Wolfgang Schäuble nicht. Fraktionschef Volker Kauder stuft das Chaos zum „Kommunikationsproblem in Teilen der Regierung“ herab. Einer amtlichen Demütigung Altmaiers hatte die Fraktionsführung schon vorher einen Riegel vorgeschoben: Ein Antrag des Abgeordneten Christoph Bergner, de Maizière korrektes Vorgehen zu bescheinigen, sei durch die Einigung zwischen Merkel und dem Innenminister „überholt“, fand Grosse-Brömer.

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