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Unions-Fraktionschef Kauder (links) und Parlamentsgeschäftsführer Grosse-Brömer.

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Die Union und Griechenland: Zwischen Schimpfen und Hoffen

In der Unions-Fraktion wird überlegt, ob das Parlament die mögliche Freigabe der nächsten Hilfsmilliarden für Hellas mit einer mahnenden Stellungnahme versehen soll. In erster Linie hofft man in der CDU/CSU aber, dass es endlich gute Nachrichten aus Griechenland gibt.

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In der Unions-Fraktion im Bundestag wird erwogen, eine eventuelle Freigabe der nächsten Hilfstranche für Griechenland mit einer Stellungnahme zu versehen, die für die Bundesregierung bindend wäre. Möglicherweise solle nicht der Haushaltsausschuss, sondern das Plenum eine derartige Stellungnahme abgeben, hieß es.

Am Dienstag berichtete Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor der Unions-Fraktion über ihr Treffen mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras vom Vortag. Die Griechenland-Diskussion habe unter dem Eindruck des Flugzeugunglücks in Frankreich aber keinen großen Raum eingenommen, hieß es aus Teilnehmerkreisen. „Die Zeit drängt“, sagte Merkel den Angaben zufolge mit Blick auf die Ankündigung der griechischen Regierung, bis "spätestens Montag" eine endgültige Liste von Reformvorhaben vorzulegen.

Griechenland benötigt dringend Milliarden aus dem laufenden Hilfsprogramm der internationalen Geldgeber. Als Voraussetzung für die Auszahlung der Hilfsmilliarden gilt die Liste der von Tsipras geplanten Reformvorhaben. Damit die restlichen Milliarden aus dem laufenden Hilfsprogramm fließen können, muss die Liste anschließend von den Institutionen der Geldgeber – der EU-Kommission, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) – bewertet und von den Euro-Finanzministern gebilligt werden.

Union: Restliche Hilfen nicht auf einen Schlag auszahlen

In der Unionsfraktion hieß es, dass Hellas nicht damit rechnen könne, die noch ausstehenden Hilfsmilliarden auf einen Schlag ausgezahlt zu bekommen - für den Fall, dass die Euro-Finanzminister die Athener Reformliste demnächst billigen sollten. Griechenland kann neben den Hilfsgeldern des IWF unter anderem noch 1,8 Milliarden Euro vom Euro-Rettungsfonds EFSF erhalten. Während der Haushaltsausschuss des Bundestages in der Vergangenheit der Freigabe von Hilfstranchen an Griechenland lediglich zugestimmt hatte, werde erwogen, diesmal die griechischen Euro-Partner mit einer Stellungnahme an ihre Verpflichtungen zu erinnern, die für die Bundesregierung bindenden Charakter hätte. Möglicherweise solle auch das Plenum eine solche Stellungnahme abgeben, hieß es weiter. Der Zeitpunkt einer solchen Befassung blieb am Dienstag offen.

Während sich Tsipras am zweiten Tag seines Berlin-Besuchs mit Spitzenpolitikern der SPD, der Linkspartei und der Grünen traf, kam es am Dienstag zu keiner Begegnung mit Unionspolitikern. Unions-Parlamentsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer sagte, Tsipras habe immer noch nicht richtig akzeptiert, dass nicht die Deutschen oder Europa oder die Troika schuld seien am griechischen Elend, sondern die Misswirtschaft im eigenen Land. Jetzt müsse sich Tsipras an die Vereinbarungen halten, sagte er. „Da kann nicht jeder seine eigenen Regeln machen“, schimpfte der CDU-Mann. „Das muss auch eine linkspopulistische Regierung langsam kapieren!“

Distanzierung kommt im Wahlkreis gut an

Was die Stimmung in seiner Fraktion angeht, liegt Grosse-Brömer mit dem Tonfall richtig. Schon als der Bundestag vor knapp vier Wochen das Hilfspaket für Griechenland um vier Monate verlängerte, war die formal übergroße Mehrheit in Wahrheit ziemlich wackelig. Zu den 29 Nein-Stimmen aus CDU und CSU kam eine gute Hundertschaft, die in persönlichen Erklärungen sinngemäß festhielt, dass sie nur Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble zuliebe noch einmal die blaue Ja-Karte gezogen hatte. Die Distanzierung kam daheim in den Wahlkreisen gut an. „Denen klopfen die Leute auf die Schulter“, hat ein wichtiger CSU-Mann beobachtet, „die normalen Ja-Sager beziehen Prügel.“ Dieses Schulterklopfen kann sich allerdings noch als Problem erweisen. Und auch der Unionsführung ist klar, dass sie die gleichen griechischen Linkspopulisten demnächst wahrscheinlich richtig gut finden muss.

Die Aufforderungen aus der Union an die Adresse Griechenlands haben deshalb einen doppelten Boden. Fraktionschef Volker Kauder (CDU), Grosse-Brömer und CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt brauchen gute Nachrichten aus Athen, wenn sie ihre Fraktion noch einmal dazu bringen wollen, frisches Geld zu genehmigen. „Wenn das Theater so weitergeht wie in den letzten Wochen, macht das keiner mit“, sagt einer aus der Fraktionsspitze.

Wenn Tsipras sich im Ernst an die Arbeit macht, könnte es funktionieren. Bevor Merkel zum ersten Krisentreffen mit dem Griechen nach Brüssel fuhr, hat sie schließlich im Bundestag geradezu pathetisch die Einheit Europas beschworen. Die Fraktion hat ihr dafür sehr lange applaudiert. Und Applaus verpflichtet.

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